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Richard Mährlein | dgs.de

© Richard Mährlein | dgs.de

Der Weltmeister tritt ab

Deutschland liegt am Boden. Uninspiriert und pomadig hatte man sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Und auch schon das Motto war das falsche. Es sollte der Titel verteidigt werden. Besser wäre wohl gewesen, die Mannschaft hätte versucht einen zu erringen. Denn wer nur auf die Vergangenheit schaut, verliert schnell den Blick für Gegenwart und Zukunft. Von Matthias Hüttmann

Nein, es geht nicht um eine Nebensache sportlicher Art, sondern um die Deutsche Klimapolitik. Auch hier sind uns andere Nationen weit voraus, den Nimbus des Titelverteidigers oder besser des Vorreiters haben wir längst arrogant und selbstherrlich verspielt. Das liegt sicherlich am falschen Personal, aber auch an den Zielvorgaben, die das Papier nicht wert sind, auf den sie niedergeschrieben wurden.

Es ist gar nicht mal so lange her, da war Deutschland im Klimaschutzranking ganz oben mit dabei. Heute ist die Bundesrepublik gerade mal im Mittelfeld zu finden. Dieses Mittelmaß ist für die selbsternannte Öko-Vorzeigenation mit Klimakanzlerin nicht weniger als ein Debakel. Wenn man so manche Berichterstattung hört und die Selbstwahrnehmung von so manchem Entscheidungsträger analysiert, hat sich an dem Status des Energiesparweltmeisters nicht viel geändert. Noch sind viele überzeugt, dass „Wir“ es sind, die den Ton angeben und Meilensteine setzen. Noch heute outen sich Wirtschaftsminister als Fans der Energiewende und sonnen sich im Glanz alter Zeiten.

Sie alle übersehen eines: Den Titel eines Klimaweltmeisters muss man sich stetig erarbeiten. Da hilft es auch nichts, im Vorfeld so mancher Konferenz Ziele anzukündigen und diese dann in Sonntagsreden zu bekräftigt. Denn wenn man „keine Eier hat“, entsprechende Maßnahmen durchzusetzen, dann mutiert man schnell zum Ankündigungs-Weltmeister. Klimaschutz-Champion wird man nur durch Taten, nicht durch Worte. Und wer hoch stapelt fällt bisweilen tief.

Richtig absurd wird es, wenn man sich die Rhetorik der Konsequenzen von verfehlten Klimaschutz-Zielen anhört. Da wird vor teuren Folgen des Nichtstuns im Klimaschutz gewarnt und Deutschland schon mal als großes Sorgenkind tituliert. So geschehen die Tage auf dem Petersberger Klimadialog. Nur was soll man von Personen halten, die seit Jahrzehnten an den politischen Hebeln sitzen und in dieser Zeit vornehmlich damit beschäftigt waren, alte Strukturen zu zementieren. Nicht viel, erst recht nicht, wenn als Ausweg aus den Konsequenzen der eigenen Verfehlungen einfach abstrakt alle in die Pflicht genommen werden.

Denn wortwörtlich war zu vernehmen: „Wir in Deutschland müssen zugeben, dass wir besser werden müssen“, denn schließlich hat sich „das Land sehr ambitionierte Ziele gesetzt“. Nein, das ist nicht nur ein Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit, das ist vielmehr ein Versuch, die Wähler für dumm zu verkaufen und sich aus der Verantwortung zu stehlen. Wenn die falschen oder auch keine Entscheidungen getroffen wurden, der Mut zur Veränderung vollkommen fehlt und die Abhängigkeiten, sprich die Verflechtungen von Politik und Dinosaurier-Industrie so augenscheinlich sind, dann ist mit Blick auf das krachende Scheitern des Klimaschutzziels 2020 zu sagen: Wir brauchen eine handlungsorientierte Regierung, aber flott! Darüber scheint man sich auch auf Regierungsseite klar zu werden, wenngleich die Losung durchaus pharisäisch daherkommt: „Deshalb haben wir jetzt auch alle Hände voll zu tun, dass wir die Lücke, die sich jetzt ergibt, noch wirklich schließen können.“

Nur schließt sich eine Lücke nicht von allein. Stellt man Alibispieler auf zentrale Positionen auf, weitet sich die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit nur noch mehr. Wer nicht agiert und nur mit taktischen Spielchen reagiert setzt keine Zeichen oder Maßstäbe. Er ist unfähig, untätig und letztendlich auch unsozial. Denn, nüchtern betrachtet, ist man nicht ansatzweise dabei, eine Lücke zu schließen, sondern lässt den CO2-Berg immer weiter anwachsen. Fazit: Klimaziele zu beschließen, ohne entsprechende Klimaschutzmaßnahmen zu treffen ist nicht fahrlässig sondern mutwillig.

Aber jetzt soll ja ein Klimaschutzgesetz helfen. Prima Sache, wenn es denn kommt und auch wirken soll. Welche Prioritäten Klimaschutz überhaupt genießt, lässt sich im Übrigen unschwer an dem aufgesetzten Asylstreit erkennen. Hier werden die Themen gesetzt und unendlich viel Energie für Wording und Framing aufgewendet. Kein Wunder, dass Ewiggestrige im Bundestag um ihre Meinungshoheit fürchten und als Fraktion im Deutschen Bundestag den Antrag gestellt haben „sämtliche Klimaschutzmaßnahmen wegen erwiesener aktueller und zukünftiger Nutz- und Wirkungslosigkeit einzustellen.“

Jetzt kann man nur hoffen, dass sich nicht noch andere Populisten dieses Themas annehmen. Schließlich gäbe es durchaus populäre Alternativen wie beispielsweise die Solarisierung! Die ist attraktiv und macht weniger Angst. Sie kann zu einer sozialökologischen Wende beitragen und als Friedensenergie eine wichtige Rolle übernehmen. Sie ist grenzübergreifend, spannend und ein Baustein einer  erstrebenswerten Utopie. Denn in einer globalisierten Welt ist nationales Denken ungefähr so sinnvoll wie im Fußball allein auf altbewährte Kräfte zu setzen und nur Quer- und Rückpässe zu spielen. Wursteln wir satt und zufrieden weiter, sind wir für künftige Herausforderungen nicht gewappnet. Um es mit Goethe zu sagen: „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“

Fazit: Wir brauchen mehr Mut für die Zukunft und weniger Nostalgie und Durchhalteparolen. Aus der Vergangenheit lernen und Visionen entwickeln ist als Gegengift für Zukunftsangst, Resignation dringend erforderlich. Denn wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Diese Weisheit lässt sich auch mit dem Klimaschutz in Verbindung bringen.

Anachronismus am Rande: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat bei einer Expedition im deutschen Lizenzgebiet im Zentralpazifik umfangreiche Untersuchungen zu Manganknollen-Vorkommen und Tiefseeumwelt durchgeführt. Dabei wurde ein Manganknollen-Kollektor eingesetzt, die Expedition erfolgte mit dem Forschungsschiff SONNE. Man entdeckte ein Feld mit rund acht Millionen Tonnen Knollen. Statt auf Sonnenkollektoren zu setzen konzentriert man sich weiter auf die zukünftige Ausbeutung unseres Planeten. Denn auch wenn Manganknollen nur extrem langsam wachsen (ca. 5 mm in einer Million Jahren) könnte man sie sicher schnell abbauen. Das Beispiel zeigt deutlich die Perversion unseres Handelns und die Ignoranz bezüglich Ökosystemen und Lebensräumen. 

  • Der Tollhauseffekt „The Madhouse Effect“ (Michael E. Mann und Tom Toles) – deutsche Übersetzung von Matthias Hüttmann und Herbert Eppel | Wie die Leugnung des Klimawandels unseren Planeten bedroht, unsere Politik zerstört und uns in den Wahnsinn treibt | Online Bestellung
  • Eine Leseprobe als pdf-Version
Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V.
Quelle

Der Bericht wurde von
der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Mattias
Hüttmann) 2018
 verfasst –
der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias Hüttmann weiterverbreitet werden! SONNENENERGIE 02/2018 

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