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U.S. Coast Guard, Barry Bena, public domain | Ölplattform im Golf von Mexiko.

© U.S. Coast Guard, Barry Bena, public domain | Ölplattform im Golf von Mexiko.

Die unbekannte Ölkatastrophe im Golf von Mexiko

Jeden Tag fließen bis zu 111.000 Liter Erdöl in den Golf von Mexiko, seit 14 Jahren. Damals sank im Hurrikan-Wirbel eine Bohrinsel und hinterließ mehrere Lecks, die bis heute nicht verschlossen sind. Über eine unbekannte Umweltkatstrophe.

Im September 2004 traf Hurrikan Ivan die US-amerikanische Südküste. Ein heftiger Wirbelsturm, aber keine Seltenheit für den Bundesstaat Louisiana, der regelmäßig von tropischen Wirbelstürmen heimgesucht wird. Am bekanntesten im August 2005, als Hurrikan Katrina New Orleans und den halben Bundesstaat verwüstete. Die bislang bekanntesten Ölkatastrophe ereignete sich fünf Jahre später, als die Bohrinsel Deepwater Horizon einige Kilometer vor der Küste Feuer fing, im Meer verschwand und Ölaustritte bisher unbekannten Ausmaßes auslöste. Doch wie jetzt ans Licht kommt, könnte Ivan 2004 ein ähnlich großes Desaster zur Folge gehabt haben.

Seit 14 Jahren läuft Erdöl in den Golf von Mexiko

Damals sank knapp 20 Kilometer vor der Küste im Hurrikan-Wirbel die Bohrplattform „Mississippi Canyon 20“ des Energiekonzerns Taylor Energy. Aus gleich mehreren Bohrlöchern läuft seitdem Erdöl in den Golf von Mexiko. Zwischen 300 und 700 Barrel sollen es pro Tag sein – bis zu 111.000 Liter, seit 14 Jahren. Das berichtet die Washington Post und beruft sich auf Behördenangaben. Noch ist das Ausmaß der Deepwater-Horizon-Katastrophe nicht erreicht, damals gelangten 700 Millionen Liter Öl ins Meer.

Doch die Behörden senden keine ermutigenden Signale: Die unkontrollierten Öl-Austritte könnten dieses Jahrzehnt noch andauern, zitiert die Washington Post Offizielle. Und die Behörden legen nach: In 100 Jahren könnte sich das Problem von allein gelöst haben, dann seien die dortigen Erdölvorkommen vermutlich erschöpft. Offenbar ist man auch 14 Jahre nach dem Beginn der Katastrophe meilenweit von einer Lösung entfernt. Und der Verursacher Taylor Energy hat in der Vergangenheit nicht übermäßig dazu beigetragen.

Vertuschung und Unterlassung

Dem Energiekonzern aus New Orleans wird Vertuschung und Unterlassung vorgeworfen. Erst 2010 wurde die Ölkatastrophe überhaupt öffentlich, als Umweltschützer im Zuge des Untergangs der Deepwater Horizon die Meeresregion untersuchten. Dabei hatte sich Taylor Energy gegenüber den Behörden ursprünglich verpflichtet, die zunächst 25 aktiven Bohrlöcher bis Juni 2008 zu schließen.

Einmal die offenen Bohrlöcher zugegeben, spielte Taylor Energy gegenüber den Behörden die Dimension herunter, es handele sich nur um 7,5 Liter Öl pro Tag. Die US-Küstenwache korrigierte diese Zahl auf knapp 320 Liter. Ein Jahrzehnt später sprachen die Behörden von 55 Barrel pro Tag, umgerechnet über 8.700 Liter. Die neueste Schätzung von bis zu 700 Barrel rüttelt nun langsam Medien und Öffentlichkeit in den USA auf.

„Ein Akt Gottes“

Und es kommen bizarre Ereignisse ans Licht: Nachdem Taylor Energy im Jahr 2008 in Vereinbarung mit den Behörden 666 Millionen US-Dollar in einen Trust zur Beseitigung der Schäden einzahlte, versuchte der Konzern sich aus der Affäre zu ziehen und sein Geld zurückzuholen. Ein Drittel der Löcher war geschlossen worden und ein Drittel des Geldes dafür aufgewendet. 2016 dann der Gang vor Gericht, Taylor Energy verklagte das Innenministerium und wollte die verbliebenen 450 Millionen aus dem Trust zurückhaben. Das Argument: Die Löcher könnten nicht geschlossen werden, Hurrikan Ivan und in der Folge die Ölkatastrophe seien „ein Akt Gottes“. Taylor Energy könne nichts dafür.

Auch 14 Jahre danach sind weder dem Verursacher noch den Behörden das volle Ausmaß und die Auswirkungen auf das Ökosystem bekannt. Ein Einzelfall ist die Katastrophe möglicherweise in ihrem Ausmaß, nicht aber in ihrem Entstehen. Der Washington Post zufolge ereignen sich in Louisiana, an Land und auf dem Meer, jedes Jahr unkontrollierte Ölaustritte im Umfang von 330.000 Gallonen – über 1,26 Millionen Liter.

4.000 Bohrinseln vor der Küste

Der Golf von Mexiko ist eine der ölreichsten Regionen der Welt, fast 20 Prozent des amerikanischen Öls werden dort gefördert. Vor den Küsten des Bundesstaats stehen etwa 2.000 Förderplattformen, hinzu kommt noch einmal dieselbe Anzahl vor Texas und Mississippi. Pro tausend Quellen gebe es 20 unkontrollierte Ölaustritte pro Jahr, schreibt die Washington Post. Und das sind nur die den Behörden gemeldeten oder entdeckten. 

Liam Gumley / MODIS Today / NASA | Satellitenbild der Deepwater-Horizon-Ölkatastrophe vom Juli 2010. In der Region treten zu diesem Zeitpunkt seit sechs Jahren bereits große Mengen Öl aus nicht verschlossenen Bohrlöchern der „Mississippi Canyon 20“ aus.OER / NOOA | Etwa 4.000 Bohrplattformen fördern Öl und Gas im Golf von Mexiko.
Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (cw) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht
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werden! | energiezukunft |
Heft 25 / Herbst 2018 | „Baustelle Energiewende – Was jetzt zu tun
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