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Fotolia.com | JakubJirsak | Laut den Autorinnen und Autoren führt die Einführung der Automatisierung im Straßenverkehr zu steigenden Fahrleistungen auf der Straße, die jedoch durch die hohen Effizienzpotenziale überkompensiert werden.

© Fotolia.com | JakubJirsak | Laut den Autorinnen und Autoren führt die Einführung der Automatisierung im Straßenverkehr zu steigenden Fahrleistungen auf der Straße, die jedoch durch die hohen Effizienzpotenziale überkompensiert werden.

Positive Umweltwirkungen durch automatisiertes Fahren?

Mit der Entwicklung des automatisierten und vernetzten Fahrens wird oft ein Wandel des gesamten Verkehrs hin zu einem effizienteren, kostengünstigeren, flexibleren und klimaschonenden System verbunden.

Das Fraunhofer ISI schätzt in einer Studie die Folgen der Einführung dieser Technologien ab und quantifiziert ihren Beitrag zum Klimaschutz im Verkehr in Deutschland bis zum Jahr 2050.

Die zunehmende Digitalisierung zeigt sich auch im Verkehrssystem: Nach fahrerlosen Systemen in der Industrie und auf Schienen wird seit einigen Jahren auch der Straßenverkehr zunehmend automatisiert und vernetzt. Damit einher geht oft die Vorstellung, dass sich durch die vollständige Automatisierung des Verkehrs viele Probleme unseres heutigen Verkehrssystems lösen ließen: kostengünstiger, schneller und flexibler Verkehr ohne Staus, mit hundertprozentiger Erreichbarkeit, ohne Unfälle und mit deutlich geringeren Emissionen.

Ob diese Idealvision tatsächlich eintritt und wann man mit diesen Effekten rechnen kann, darüber sind sich die Expertinnen und Experten aber uneinig. Im Hinblick auf die Klimaschutzziele der Bundesregierung für den Sektor Verkehr ist es jedoch wichtig abzuschätzen, welche direkten Auswirkungen die Automatisierung und Vernetzung auf die Emissionen von Treibhausgasen (THG) hat. Dabei gilt es auch rechtzeitig zu erkennen, ob die Vorteile der Automatisierung zu steigenden Fahrleistungen auf der Straße führen können – was die Effizienzgewinne schmälern würde (Rebound-Effekt).

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI hat zusammen mit Projektpartnern die Studie »Energie- und Treibhausgaswirkungen des automatisierten und vernetzten Fahrens im Straßenverkehr« veröffentlicht. Diese Potenzialanalyse analysiert mögliche Entwicklungen der Technologie im Straßenverkehr bis zum Jahr 2050 in Deutschland. Sie zeigt den Prozess des Übergangs hin zum automatisierten und vernetzten Fahren inklusive der Wirkungen auf das Verkehrssystem und auf die THG-Emissionen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler quantifizierten für acht Fahrzeugtypen (Kompakt-, Mittel- und Oberklasse-Pkw, schwere und leichte Nutzfahrzeuge sowie Stadt-, Reise- und Kleinbusse) die Minderungspotenziale der THG-Emissionen, indem sie den Markthochlauf für fünf Automatisierungsstufen – vom assistierten bis hin zum fahrerlosen Fahren – abschätzten.  Dafür untersuchten sie anhand von Literaturanalysen und Stakeholderdialogen die technische Machbarkeit der Automatisierung, die Entwicklung der Produktionskosten und Nutzerpreise der Technologie sowie die Akzeptanz und Mehrpreisbereitschaft bei Käuferinnen und Käufern.

Hohe Marktdurchdringung bei Lkw und Bussen

Die Berechnungen zeigen besonders für schwere Lkw und Reisebusse eine schnelle Marktdurchdringung: Bis 2050 werden bis zu 90 Prozent Anteil fahrerloser schwerer Lkw und bis zu 75 Prozent fahrerloser Reisebusse erwartet. Ein wichtiger Grund: Zwar gibt es höhere Investitionskosten durch den Einbau der Technologie für Automatisierung und Vernetzung (etwa 24.000 Euro bei Markteinführung), die Kosten für Fahrer, Versicherungen und Kraftstoffe sinken aber deutlich – möglich sind bis zu 33 Prozent Kostenersparnis pro gefahrenem Kilometer.

Überraschend für die Forscherinnen und Forscher waren die Ergebnisse des Markthochlaufs im Bereich der Pkw: Bis 2050 beschränkt sich der Marktanteil fahrerloser Pkw auf 7 Prozent des Bestands. Für das Segment der Oberklasse ergibt sich dann immerhin ein Anteil von 21 Prozent fahrerloser und 57 Prozent vollautomatisierter Pkw im Bestand. Dr. Michael Krail, Projektleiter am Fraunhofer ISI, nennt Gründe: »Die Aufpreise für die Ausstattung von Pkw mit Automatisierungsfunktionen der Stufe 5 starten bei der Markteinführung bei etwa 11.000 Euro und sinken durch Skaleneffekte minimal auf etwa 5.000 Euro. Damit bewegen sich die Preise für Käuferinnen und Käufer von Klein- oder Kompaktwagen aber immer noch in einem Bereich, den nur wenige zu investieren bereit sind.«

Die Reduktionspotenziale für THG-Emissionen schätzte das Forschungsteam auf Basis einer detaillierten Literaturanalyse und durch Stakeholderdialoge ab. Fahrerlose Systeme ermöglichen effizientere Fahrweisen durch reduzierte Brems- und Beschleunigungsvorgänge, eine optimierte Routenwahl sowie einen flüssigeren Verkehr. Dr. Michael Krail ordnet die Potenziale ein: »Europaweite Feldtests mit teilassistierten beziehungsweise hochautomatisierten Fahrzeuge haben die Effizienzpotenziale der Technologie bereits im realen Betrieb gezeigt. Kraftstoffeinsparungen bis zu 17 Prozent bei schweren Lkw gegenüber nicht automatisierten Fahrzeugen scheinen daher nicht nur theoretisch möglich zu sein.«

7,8 Megatonnen CO2-Äquivalente können eingespart werden

Mit dem am Fraunhofer ISI entwickelten Verkehrsmodell ASTRA schätzte das Team ab, wie der Markthochlauf der Automatisierungstechnologien die Verteilung aller Fahrten auf unterschiedliche Verkehrsmittel (Modal Split) ändert. Unter Berücksichtigung des steigenden Anteils elektrifizierter Fahrzeuge sinken die THG-Emissionen im Verkehr in Deutschland durch die Automatisierung und Vernetzung bis 2050 gegenüber dem Referenzfall ohne Automatisierung und Vernetzung um 7,6 Prozent. Das entspricht 7,8 Megatonnen CO2-Äquivalenten. Bereits 2030 und damit vor der Einführung des komplett fahrerlosen Fahrens ergibt sich ein Minderungspotenzial von 5,2 Megatonnen CO2-Äquivalenten.

Laut den Autorinnen und Autoren führt die Einführung der Automatisierung im Straßenverkehr zu steigenden Fahrleistungen auf der Straße, die jedoch durch die hohen Effizienzpotenziale überkompensiert werden. Größere Einsparpotenziale lassen sich jedoch nur mit parallel steigenden Anteilen von geteilten Mobilitätsdienstleistungen erzielen. Steigen beispielsweise die Nachfrage und das Angebot an geteilten Mobilitätsdienstleistungen wie Ridesharing durch neue Tür-zu-Tür-Lösungen mit fahrerlosen Fahrzeugen, kann die Automatisierung zu einer zusätzlichen Verbesserung der Effizienz des gesamten Verkehrssystems beitragen. Es muss aber darauf geachtet werden, dass sich der Verkehr durch die Vorteile der Automatisierung nicht vom öffentlichen hin zum Individualverkehr verlagert – denn dann könnten die zusätzlichen Fahrten die positive Wirkung der Einspareffekte überlagern. Diesen Rebound-Effekt gilt es zu vermeiden.

Quelle

Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) 2019

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