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Eine Liebeserklärung an die Zukunft

Was könnte es Schöneres geben als die Kombination von historischer Weisheit, philosophischer Weitsicht und religiöser Fundierung einerseits und der Fotografie von Natur und Landschaft andererseits, das Einfangen von vielen schönen Dingen auf dieser Welt, die unbedingt erhalten werden müssen? Eine Buchbesprechung von Udo E. Simonis

Franz Alt, der engagierte Journalist und Helfried Weyer, der begnadete Naturfotograf haben eine kongeniale Kombination geschafft: mit drei Textkapiteln über die Herausforderungen der Gegenwart, die Lehren der Vergangenheit und einer Liebeserklärung an die Zukunft und mit mehr als 60 Fotografien aus allen Teilen der Welt.

Hier der Promotor des Solarzeitalters und moderne Interpret des ökologischen Jesus, dort der akkurate Fotograf der Naturschönheiten dieser Welt, wie es sie heute trotz vieler Zerstörungen immer noch gibt. Es soll diese Schönheiten auch weiterhin geben, das ist das treibende Motiv des Autors wie des Fotografen.

Sind wir noch zu retten und drohen uns Klimakriege, das sind die ersten beiden Fragen des Journalisten im Kapitel über die Herausforderungen der Gegenwart. Dem möglichen Nein zu Ersterem und dem möglichen Ja zu Letzteren begegnet er mit der notwendigen Änderung unseres Wahrnehmens und Verhaltens: Wir müssten wieder Staunen lernen über die Wunder des Lebens und mehr Dankbarkeit entwickeln, weil sie das Leben ändern kann. Beides wird möglich, wenn man neugierig bleibt oder wieder wird und die Schöpfung als Feld voller Geheimnisse begreift. Dem „ökologischen Jesus“ hat Franz Alt (mit seiner Frau Bigi) vor Jahren ein ganzes Buch gewidmet. In diesem Buch charakterisiert er die Bergpredigt, in der Jesus die Sanften und die Friedensstifter selig preist, als eine Anleitung zur notwendigen globalen Transformation.

Spektakulär die Passage über die „Ökologische Tagesschau“ und sein grimmiger Wunsch: Wenn es doch, auch nur einmal, eine ökologisch realistische Tagesschau geben würde, die berichtet, dass wir Menschen heute, an diesem einen Tag, wieder 150 Tier- und Pflanzenarten ausgerottet, 30.000 Hektar Wüste geschaffen, 150 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Luft geblasen haben. Stattdessen immer nur und immer wieder viele Berichte über das Wirtschaftswachstum und die Entwicklung der Börsenkurse.

Dieser Teil des Textes endet mit einer neuen Schöpfungsgeschichte, einem Auszug aus dem Buch des Philosophen und Theologen Matthew Fox über „Schöpfungs-Spiritualität“.

Der zweite Textteil des Buches über die Lehren der Vergangenheit beginnt mit der Frage nach den Wegen aus der aktuellen Krise. Wenn selbst traditionelle fossile Konzerne in Teilen erneuerbar werden, dann kann doch allgemein das Solarzeitalter beginnen, dann kann doch die Sonne zum Maß aller Dinge werden. Hier ist Franz Alt in seinem Metier, hierzu hat er Maßstäbe und bleibende Sätze geprägt wie diese: „Die Sonne schickt uns keine Rechnung“; „Die Sonne scheint für alle“.

Der dritte Textteil versteht sich als Liebesversprechen an die Zukunft. Die Natur brauche uns nicht, aber wir brauchen sie. Und was wir vor allem dringlich brauchen, ist eine neue, empathische Beziehung zur Natur und zum Naturschönen. Deshalb müsse aus der Schrumpfgeburt des heutigen homo oeconomicus alsbald ein homo oecologicus werden.

Im Zeitalter des Anthropozän sollten wir Menschen unser Verhältnis zu allem, was lebt, radikal überdenken. Wir müssen lernen, dass die Natur, die wir ausbeuten, auch eine Selbstausbeutung ist. Erst wenn wir das gelernt haben, sind wir Teil der Natur.

Teil der Natur zu sein, kann zu ungeahnten neuen Erkenntnissen führen. In der Natur gibt es beispielsweise keine Arbeitslosigkeit. „Wenn wir lernen, im Einklang mit der Natur zu arbeiten, zum Beispiel über die solare Energiewende, die ökologische Verkehrswende, die ökologische Landwirtschaft und eine ökologische Steuerreform, dann entstehen Millionen neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze, von denen ein doppelter Segen ausgeht: ein sozialer Segen, weil mehr Arbeitslose wieder sinnvolle Arbeit finden, und ein ökologischer Segen, weil über ein ökologisches Wirtschaftswunder positive Umwelteffekte entstehen“ (S. 125).

Freude am Leben sei die Basis einer neuen Menschlichkeit, sagt der Autor am Schluss. Und er endet mit einem Wunsch für uns alle: „Alle Probleme, die Menschen geschaffen haben, sind auch vom Menschen lösbar. Das ist einfach logisch, schöpfungslogisch“ (S. 136).

Auf der gegenüberliegenden Seite hat der Fotograf Helfried Weyer eines seiner beeindruckenden Personenbilder platziert: Ajako aus Thule, einer der letzten und vom Aussterben bedrohten Polar-Eskimos in Nordgrönland; er ist warmverpackt, raucht eine Pfeife, im Hintergrund ein schwimmender Eisberg. Bilder von Mitgliedern anderer gefährdeter Populationen sind übers Buch verstreut: Tuaregs in Timbuktu, ein Schlittengespann auf dem Meereis von Thule, Hirten in Äthiopien, Nomaden in West-Tibet, Himba-Kinder im wasserarmen Namibia.

Im mittleren Teil des Buches gibt es wunderschöne Bilder gefährdeter Tierarten: den Polarfuchs in Grönland, Königspinguine in Südgeorgien, Seelöwen auf Galapagos, Geparden in Namibia und – auf dem Titelblatt des Buches – der Eisbär, der Wasser aber kein Eis mehr unter den Füßen hat.

Des Weiteren dann, inmitten der Textteile, etwa 50 großartige, meist doppelseitige Natur- und Landschaftsbilder. Das eine schöner als das andere – und das allerschönste auf Seite xyz, so möchte man gern festhalten. Doch das darf der Rezensent nicht tun, weil er diese Entscheidung unbedingt der Leserin und dem Leser (den Käufern des Buches) überlassen muss. Wichtig ist hier die Botschaft, dass es solche und ähnliche Bilder auch in Zukunft geben sollte. Weil das aber nicht sicher ist, zum Schluss noch eine nachdrückliche Empfehlung: Das wunderschöne, prachtvolle Werk von Franz Alt und Helfried Weyer ist ein ideales Geschenk zu Weihnachten und zu jedem anderen besonderen Geburtstag.

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Quelle

 Dr. Dr. h.c. Udo E. Simonis 2019 ist Professor Emeritus für Umweltpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) | Erstveröffentlichung in „UNIVERSITAS“

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