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Umweltgutachten 2020: Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa

Am 14. Mai 2020 stellte der SRU das Umweltgutachten 2020 digital vor. Die Videopräsentation ist auf Youtube abrufbar. Alle Ratsmitglieder und die Bundesumweltministerin Svenja Schulze kamen zu Wort.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) veröffentlicht heute sein Umweltgutachten „Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa“ und erörtert es mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze in einer Videokonferenz. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie verlieren Klimawandel und Biodiversitätsverlust aktuell an Aufmerksam­keit. Die langfristige Bedrohung der ökologischen Lebensgrundlagen bleibt aber bestehen. Die aktuelle Krise zeigt zudem eine ungeahnte Verletzlichkeit unseres Lebens und Wirtschaftens auf. So unterschiedlich die beiden Krisen sind, gemeinsam ist ihnen, dass sie nur durch gemeinsames und entschlossenes Handeln überwunden werden können. Die jetzt notwendige Wiederbelebung der Wirtschaft sollte genutzt werden, neue Wege zu gehen. „Großangelegte Konjunkturprogramme müssen ökologisch zukunftsfähig sein“, sagt die SRU-Vorsitzende Prof. Claudia Hornberg. „Es sollte in Lösungen investiert werden, die die umweltverträgliche Entwicklung der Wirtschaft fördern.“ Die Bundesregierung sollte sich dafür stark machen, dass auch die EU-Konjunkturprogramme darauf ausgerichtet sind, den European Green Deal zu verwirklichen.

Für Deutschland wie für die EU gilt: Die Politik muss unter Beweis stellen, dass sie angesichts der enormen ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen handlungsfähig ist. „Die EU steht mit Blick auf die planetaren Grenzen gerade im Klimaschutz vor großen Herausforderungen. Daher muss die Umweltpolitik im Rahmen des European Green Deal sichtbarer Bestandteil der europäischen Wirtschafts-, Verkehrs- und Agrarpolitik sein. Zugleich müssen für Umsetzung und Monitoring verbindliche Vorgaben gemacht werden“, hebt Prof. Christian Calliess hervor. Auch bislang nicht ökologisch ausgerichtete Wirtschaftsbereiche wie die Landwirtschaft und der Verkehr müssen jetzt Umwelt- und Klimaschutz in den Vordergrund stellen. Der SRU schlägt deshalb in verschiedenen Schlüsselbereichen Veränderungen vor.

Um den Klimawandel zu bremsen, ist es unerlässlich, die Gesamtmenge an CO2 zu begrenzen, die noch ausgestoßen wird. Diese entscheidet maßgeblich über das Ausmaß der Erwärmung. Der SRU empfiehlt der Bundesregierung deshalb, ihre Klimapolitik an einem langfristigen CO2-Budget auszurichten, das im Einklang mit den Temperaturzielen von Paris steht. Prof. Wolfgang Lucht erläutert: „Ein ausreichendes, faires und angemessenes deutsches CO2-Budget beträgt maximal 6,7 Milliarden Tonnen CO2 ab 2020. Bei linearer Reduktion muss Deutschland schon 2038 CO2-neutral sein, nicht erst 2050.“ Entschlossene Klimaschutzmaßnahmen sind daher dringend erforderlich.

Seit Jahren sprechen wir davon, auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft zu sein. Die Zahlen zeigen aber: Deutschland nutzt nach wie vor zu viele Rohstoffe und verursacht damit gravierende Umweltbelastungen. „Stoffströme müssen verringert und es muss eine konsequente Produktpolitik implementiert werden, damit mehr Rohstoffe im Kreislauf geführt werden können“, stellt Prof. Vera Susanne Rotter heraus. „Es ist wichtig, dass Produkte langlebig, reparaturfreundlich, recyclinggerecht und schadstofffrei sind.“ Der SRU empfiehlt, die Abfallhierarchie zu einer Kreislaufwirtschaftshierarchie weiterzuentwickeln, um diese Aspekte zu verankern. Konkret sollte z. B. die Ökodesign-Richtlinie auf weitere Produktgruppen ausgedehnt werden. Recycling ist nicht nur an Quoten, sondern auch an seiner Qualität zu messen.

Intakte Gewässer sind die Voraussetzung für funktionierende Ökosysteme, Artenvielfalt sowie lebendige Landschaften und spielen eine wichtige Rolle bei der Klimaanpassung. Europäisch vereinbarte Gewässerschutzziele werden flächendeckend verfehlt. Prof. Manfred Niekisch betont: „Für die Renaturierung der Flüsse müssen mehr Flächen an den Gewässern bereitgestellt werden.“ Außerdem erfordert die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie eine verbindliche Planung sowie ausreichend Gelder und Fachpersonal.

Viele Menschen in Deutschland sind hohen Belastungen durch den Verkehrslärm ausgesetzt. „Diese Lärmbelastungen stellen ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar“, erläutert Prof. Hornberg. Sie treffen sozial Benachteiligte häufiger als andere. Um den Schutz vor Verkehrslärm zu verbessern, empfiehlt der SRU bundesweit festzulegen, ab welcher Lärmbelastung Kommunen verpflichtet werden, Lärmschutzpläne aufzustellen. Außerdem sollten die gesundheitsbezogenen Lärmschwellen in Deutschland deutlich verschärft und die europäischen Emissionsgrenzwerte für Fahrzeuggeräusche anspruchsvoll ausgestaltet werden.

Der Stadtverkehr wird seit Jahrzehnten vom Auto dominiert. Die Folgen sind Lärm, Luftverschmutzung, ein wachsender Flächen- und Energieverbrauch sowie hohe Gesundheits- und Umweltkosten. ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sollten nach Auffassung des SRU stark ausgebaut werden. Die Novelle der StVO ist für ein Umsteuern noch nicht ausreichend und muss nachgebessert werden. „Eine konsequente Parkraumbewirtschaftung und eine streckenabhängige Pkw-Maut sollten dazu beitragen, einer aktiven und umweltfreundlichen Mobilität in der Stadt Raum zu geben“, sagt Prof. Claudia Kemfert.

Der SRU empfiehlt, Quartiere als geeignete Handlungsebene für die Umwelt- und Klimapolitik stärker zu nutzen. Quartiersbezogene Maßnahmen bergen Potenziale für den Umwelt- und Klimaschutz und ermöglichen Synergien mit anderen Zielen. Sie sind der Betrachtung von Einzelgebäuden überlegen. Hierzu zählen die Versorgung durch Wärmenetze, serielle energetische Sanierung und die lokale Erzeugung erneuerbarer Energien.
„Um die städtische Energiewende voranzubringen, sollte die Eigenversorgung mit Strom und Wärme künftig gesetzlich vereinfacht und die gemeinsame Erzeugung sowie nachbarschaftliche Versorgung mit Energie erleichtert werden. Diese Aspekte sollten in das Gebäudeenergiegesetz Eingang finden“, betont Prof. Lamia Messari-Becker.

Der wirtschaftliche Neustart nach der Corona-Pandemie sollte dazu genutzt werden, die Weichen in Richtung ökologischer Transformation zu stellen. Die enormen Mittel, die für die konjunkturelle Wiederbelebung eingesetzt werden, müssen konsequent an den Zielen der Klimaneutralität und des Umweltschutzes ausgerichtet werden.

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Quelle

SRU / Sachverständigenrat für Umweltfragen 2020

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