PV Symposium: Auf der Suche nach dem Photovoltaik-Boom

EIn älteres Paar im Garten, rechts im Hintergrund ein Haus mit Solarstromanlage.Foto: Kzenon / stock.adobe.com
Der Umgang mit älteren Photovoltaik-Anlagen kann auch HInweise dafür liefern, wie ein neuer Photovotaik-Boom zu erreichen ist.
Wegen der Corona-Pandemie traf sich das traditionelle PV Symposium in diesem Jahr am 1. und 2. September virtuell. Am Dienstag ging es, nachdem zuvor der Entwurf zur EEG-Novelle durchgesickert war, um den Ausbau der erneuerbaren Energien und letztlich um die Suche nach den Pfaden für einen neuen Photovoltaik-Boom.

Carsten Körnig, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) formulierte den Anspruch. Mindestens 10 Gigawatt Photovoltaik seien ab jetzt pro Jahr zu installieren, wenn die Klimaziele tatsächlich erreicht werden sollten. Und dies seien die eigenen Ziele der Regierung, die die PV-Branche als Messlatte heranziehe. Dies passe aber vorn und hinten nicht beim jetzt bekannt gewordenen Entwurf des Wirtschaftsministeriums für die EEG-Novelle. Von einem Photovoltaik-Boom ist man so weit entfernt.

Stromlücke droht

Und Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien, erklärte beim am Mittwoch parallel in Berlin stattfindenden Fachgespräch der Clearingstelle Erneuerbare Energien, dabei gehe die Regierung bei ihren Plänen noch von einem zu gering angenommenen Stromverbrauch aus. Denn die Sektorenkopplung werde den Bedarf erhöhen. So drohe eine Stromlücke. Körnig befürchtet, wenn diese Lücke nicht geschlossen werde, drohe ein Verschieben des Kohleausstiegs.

Der größte Teil des Stroms wird in naher Zukunft von Wind- und Solarstromanlagen kommen. Davon gehen die Experten in den Branchenverbänden und einigen Forschungsinstituten aus. Aber auch die Bundesregierung zeichnet letztlich dieses Ziel vor. Sie will bis 2030 einen Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch von 65 Prozent erreichen – und das heißt vor allem Wind- und Solarstrom.

Chance für PV-Produktion in Europa

Wenn Solarstrom jedoch eine größere Rolle spielen muss, so braucht der Markt eine neue Boomphase. Jutta Trube, PV-Expertin beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, wies beim PV Symposium darauf hin, dass in Europa ein Zubau von 80 GW PV-Leistung pro Jahr nötig seien. Die bedeute zugleich ein finanzielles Volumen von 80 Milliarden Euro für die PV-Produkte. Und diese Komponenten könnten auch Unternehmen in Europa bei einem Photovoltaik-Boom produzieren. Erforderlich seien dafür entsprechende Rahmenbedingungen und der Zugang zu Investitionskapital.

Für Jörg Ebel, Vorstandsmitglied beim BSW und beruflich tätig für IBC Solar, sieht den Schlüssel im Prosuming bzw. dem Eigenverbrauch. Dezentralisierung in Verbindung mit der Digitalisierung seien globale Trends. Und so könne Prosuming eine wichtige Säule für einen Photovoltaik-Boom sein. Doch dem stehe die heutige Realität in Deutschland gegenüber. Das Prosuming und der Eigenverbrauch würden durch „Mauer der Kleinlichkeit“ gehemmt, so Ebel. Im Leitfaden der Bundesnetzagentur zum Eigenverbrauch sieht einen Beleg für diese Haltung. Die Regierung behandele den Eigenverbrauch nur eine Ausnahme, nicht als einen wesentlichen Antrieb für den Markt. Stattdessen, fordert Ebel, müsse man zu einer räumlichen Prosumingdefinition kommen und sich von der Personenidentität lösen. Dazu seien eine faire Regelung für die Einspeisung von Überschussstrom und ein einfacher Infrastrukturbeitrag erforderlich.

Prosuming wichtiger Schlüsselfaktor für Photovoltaik-Boom

Im Entwurf für die EEG-Novelle werden hingegen das Prosuming und der Eigenverbrauch weiter zurückgedrängt. Die Leistung der neuen Anlagen, für die das BMWi dies künftig zulassen möchte, soll von Jahr zu Jahr sinken. Schon bei kleinen Anlagen – auch den Altanlagen – will das Ministerium entweder die Volleinspeisung oder eine Viertelstundenmessung vorschreiben.

Diese zeitgenaue Erfassung sieht auch das Prosumermodell vor, das Peter Stratmann von der Bundesnetzagentur sowohl beim PV-Symposium als auch beim Fachgespräch der Clearingstelle erläuterte. Es solle allerdings aus seiner Sicht das Prosuming ausdrücklich ermöglichen. Dies sei häufig leider falsch verstanden worden. So soll ein Anlagenbetreiber seinen Strom selbst verbrauchen und den Strom gegen eine angemessene Vergütung einspeisen können. Dabei sei jedoch ein intelligentes Messsystem aus Sicht der Netzagentur wichtig, weil derzeit die im Haushalt selbst erzeugte und verbrauchte Strommenge physikalisch gedoppelt werden müssten. Denn der Energieversorger sei auf Basis der Standardlastprofile verpflichtet, den erwarteten Strombedarf – ungeachtet der Eigenleistung – zu liefern.

Stratmann sieht daher wohl die Lösung in Direktvermarktern, die sowohl für die Vermarktung des Überschussstroms der PV-Anlage in einem Haushalt sorgen als auch dessen Strombelieferung übernehmen. Den Netzbetreibern traut Stratmann diesen Abgleich zwischen Bedarf und Eigenerzeugung nicht zu.Um dem Direktvermarkter und gleichzeitigen Lieferanten seine Leistung ohne unnötige Überschussbelieferung zu ermöglichen, sind aus Sicht der Netzagentur Mess- und ggf. Regelsysteme erforderlich.

Direktvermarktung ohne intelligente Zähler

Solche hohe Anforderungen seien aber gerade bei den Kleinanlagen nicht erforderlich, sagt Simon Schwede von der EnBW AG, der dort für die Direktvermarktung zuständig ist. Bei kleinen Anlagen bis 7 kW sei eine viertelstündige Messung bzw. ein digitales Messsystem nicht sinnvoll. Diese Daten brauche man nicht. Es sei auch so gut ersichtlich, welche Strommengen eine durchschnittliche PV-Anlage in einer bestimmten Region einspeise bzw. für den Eigenverbrauch erzeuge. „Direktvermarkter können gut mit Eigenverbrauch umgehen“, so Schwede. Doch ein intelligentes Messsystem sei zu teuer – auch wenn die Direktvermarkter die Zusatzkosten ggf. subventionieren würden, um Kunden zu gewinnen.

Sowohl Schwede als auch Stratmann sehen im Direktvermarkter bzw. Prosumer-Dienstleister ein entscheidendes Bindeglied, um den Anlagenbetreiber, der seinen Strom selbst verbrauchen möchte, und den Strommarkt zusammenzuführen. Tatsächlich könnte dies auch eine Option sein, um die Komplexität für den Anlagenbetreiber zu vereinfachen. Es wäre gut, wenn er lediglich in seine Anlage investieren und den Rest einem Dienstleister überlassen könnte, der seinen Überschussstrom abnimmt und seinen Reststrombedarf deckt. Auch das wäre ein Beitrag für einen neuen Photovoltaik-Boom.

Komplexität vermeiden

Reduktion von Komplexität ist auch für Patrick Graichen, den Direktor der Agora Energiewende, ein wesentliches Anliegen, um die erneuerbaren Energien voranzubringen. Dies machte er beim Fachgespräch der Clearingstelle deutlich. Er sieht im Zusammenhang mit dem jetzigen EEG gerade beim Eigenverbrauch ein gewisses Regulierungsversagen. Dies zeige unter anderem der Leitfaden zum Eigenverbrauch der Bundesnetzagentur. „Da merkt man, da ist etwas zu komplex geworden.“ In den Ministerien habe man offenbar Angst loszulassen. Auch aus Sicht von Graichen ließe sich das EEG weiterentwickeln, wenn der Gesetzgeber den Eigenverbrauch vereinfacht und eher ausgedehnt. Dabei müsse man nur im Blick behalten, wie die Netz- bzw. Infrastrukturkosten fair zu tragen sind.

Der Photovoltaik könnte die mögliche Vereinfachung einen Schub verpassen. Aber, so beklagt Körnig beim PV Symposium, stattdessen würde der EEG-Entwurf die Situation weiter erschweren, sollte er so Realität werden. Das zeige sich schon in dem Vorhaben, die Dachanlagen bald schon ab 100 kW Leistung in Ausschreibungen zu zwingen. Frankreich habe dies schon versucht und sei damit nicht erfolgreich gewesen. Jetzt wollte Altmaier denselben Fehler in Deutschland machen.

Die PV-Branche sieht die Faktoren, die einen neuen Photovoltaik-Boom bringen könnte. Dazu zählen vor allem Investitionssicherheit und ein für die jeweiligen Nutzer möglichst einfaches System. Davon ist der Entwurf der EEG-Novelle noch ein großes Stück entfernt.

2.9.2020 | Text: Andreas Witt, Solarthemen | solarserver.de
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