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Europarechtsexperte: Glyphosatverbot ist machbar

Europarechtsexperte: Glyphosatverbot ist machbar

Wien - Mit Blick auf den für nächste Woche anberaumten „Runden Tisch Glyphosat“ appelliert die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 an Bundeskanzler Sebastian Kurz, das im Dezember 2017 medial angekündigte Glyphosatverbot endlich einzulösen. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind längst gegeben. Denn anders als vom Landwirtschaftsministerium dargestellt, ist das Schreiben der EU-Kommission an Österreich keineswegs eine „klare Absage an ein rot-weiß-rotes Glyphosatverbot“. Das bestätigte der renommierten Europarechtsexperte Univ.-Prof. Dr. Geert Van Calster in einem Hintergrundgespräch mit GLOBAL 2000.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Van Calster widerspricht in diesem Punkt der Interpretation des Innsbrucker Europarechtlers Univ.-Prof. Dr. Walter Obwexer. Obwexer stützte die obige Darstellung des Landwirtschaftsministeriums, indem er argumentierte, dass die „Bemerkungen“, welche die Kommission im Zuge des Notifizierungsverfahrens an Österreich übermittelt hatte, in Wahrheit als „ausführliche Stellungnahme“ zu werten seien, inklusive der damit verbundenen Rechtsfolgen für Österreich.

„Hätte die Kommission ihr Schreiben an Österreich nicht als „Bemerkungen“ sondern als „ausführliche Stellungnahme“ klassifiziert, könnte man diese tatsächlich als ‚klare Absage der EU-Kommission an das österreichische Glyphosatverbot‘ – zumindest an den Entwurf in seiner gegenwärtigen Form – interpretieren. Denn eine ausführliche Stellungnahme zieht gänzlich andere Rechtsfolgen nach sich als Bemerkungen dies tun. Sie verpflichtet den Adressaten, sich mit den darin behaupteten Unionsrechtsverstößen auseinanderzusetzen und die Kommission über Maßnahmen zu unterrichten, die er aufgrund der vorgelegten Stellungnahme zu ergreifen beabsichtigt. Tut er das nicht, dann kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen ihn einleiten. Bei Nicht-Berücksichtigung von „Bemerkungen“ lägen hingegen die Voraussetzungen für ein Vertragsverletzungsverfahren nicht vor.“

Van Calster verweist darauf, dass die Klassifizierung der Mitteilung als „Bemerkungen“ (im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 gemäß der Richtlinie 2015/1535 ) oder als „ausführliche Stellungnahme“ (im Sinne von Artikel 6 Absatz 2) die damit verbundenen Rechtsfolgen eindeutig definiert. Die Klassifizierung selbst obliege dabei dem Absender – im vorliegenden Fall also der Europäischen Kommission – und keinesfalls dem Adressaten, betont Van Calster.

In jedem Fall zu berücksichtigen sei jedoch der Umstand, dass das EU-Mitglied Tschechien seine (vergleichsweise kurze) Mitteilung an Österreich in Form einer ausführlichen Stellungnahme abgegeben hat. Diese verlange eine Beantwortung und gegebenenfalls auch eine Überarbeitung des Gesetzesentwurfs. „Das EU-Recht bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Rechtfertigung eines Glyphosatverbots. Das EU-Recht ist komplex aber es schließt mit Sicherheit ein Totalverbot von Glyphosat nicht aus“, betont Geert Van Calster.

Glyphosatverbot in Luxemburg

Dass nationale Pestizidverbote möglich sind und umgesetzt werden können, zeigte beispielsweise Frankreich, das im September 2018 im Alleingang ein allgemeines Neonicotinoid-Verbot verhängt hatte, oder Luxemburg, das am 1. Februar 2020 den Verkauf und die Anwendung sämtlicher glyphosathältiger Pflanzenschutzmittel verboten hat.

Dazu erklärt François Benoy, Vorsitzender des Umweltausschusses und Vize-Vorsitzender des Agrarausschusses im luxemburgischen Parlament: „Genau wie in Österreich stand auch in Luxemburg eine Mehrheit der Bevölkerung und eine Mehrheit im Parlament hinter dem Glyphosatverbot. Deshalb unterstützen wir einerseits seit 2019 den freiwilligen Verzicht von Landwirten auf glyphosathältige Pestizide im Rahmen eines Förderprogramms. Am 1. Februar 2020 zog die zuständige Behörde auf der Grundlage eines Regierungsübereinkommens schließlich die Zulassung aller glyphosathältiger Pflanzenschutzmittel zurück. Die Übergangsfrist für den Abverkauf von Altbeständen ist am 30. Juni 2020 abgelaufen; die Übergangsfrist für ihre Verwendung endet mit 31. Dezember 2020.“

Aus all diesen genannten Gründen appelliert GLOBAL 2000 an Bundeskanzler Sebastian Kurz, sein bald drei Jahre altes Versprechen, Glyphosat in Österreich zu verbieten, endlich einzulösen: „Die Unterstützung durch die Bevölkerung und das Parlament ist Ihnen dabei sicher“, sagt Dr. Helmut Burtscher-Schaden, GLOBAL 2000 Umweltchemiker, abschließend.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /