© MonikaP auf Pixabay  /Fossile Energieerzeugung
© MonikaP auf Pixabay /Fossile Energieerzeugung

CO2-Bepreisung kann soziales Gefälle verringern

Meta-Studie wertet Forschung zur Verteilungswirkung aus. Günstige Voraussetzung für entsprechende Reformen insbesondere in ärmeren Ländern und generell im Verkehrssektor.

Berlin - Spätestens seit den Protestaktionen der „Gelbwesten“ in Frankreich ab 2018 ist es ein Argument, auf das man gefasst sein muss: Ärmere Haushalte gäben prozentual mehr Geld für Energie aus und seien daher besonders betroffen, wenn der Staat mit seiner Klimapolitik Treibhausgas-Emissionen verteuert. Doch das entspricht nicht generell der Realität. In vielen Fällen kann eine CO2-Bepreisung die Kluft zwischen Arm und Reich verringern, belegt eine Meta-Studie unter Führung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Sie wurde jetzt in der Fachzeitschrift Environmental and Resource Economics veröffentlicht.

Um zu klären, ob eine CO2-Bepreisung eher Haushalte mit hohen oder niedrigen Einkommen begünstigt, und wovon genau das abhängt, schaut das Autorenteam auf die inzwischen zahlreichen empirischen und modellbasierten Analysen: Mit einer systematischen Methode zur Suche, Auswahl und Durchsicht nimmt es die gesamte einschlägige Forschung in den Blick – ganz gleich, auf welche Weise der Staat das Treibhausgas teurer macht, ob durch Steuern, Emissionshandel oder Abbau klimaschädlicher Subventionen. Ergebnis: Immerhin ein Drittel der analysierten Politikmaßnahmen belastet die ärmeren Haushalte prozentual weniger als die reichen oder höchstens gleich stark.

Wie der Staat die Einnahmen verwendet und damit die Verteilungswirkung verändert, wird in der Studie bewusst nicht mit betrachtet. „Es konzentriert sich ja schließlich auch die öffentliche Debatte meist auf die Frage nach der originären Wirkung, also wie stark höhere Treibstoff- und Energiepreise die Konsumausgaben privater Haushalte verteuern“, erklärt Nils Ohlendorf, Doktorand in der MCC-Arbeitsgruppe Klimaschutz und Entwicklung und Leitautor der Analyse. „Dass Regierungen durch die Verwendung der Einnahmen ärmere Haushalte begünstigen können, dringt oft nicht durch, selbst wenn es von Anfang an mit kommuniziert wird.“

Laut der statistischen Auswertung ist es besonders wahrscheinlich in Entwicklungs- und Schwellenländern, dass CO2-Bepreisung das soziale Gefälle verringert und damit politisch in der Regel leichter vermittelt werden kann. Dies gilt auch generell für CO2-Bepreisung im Verkehrsbereich. Das entspreche auch der Erwartung, heißt es. Schließlich haben die Ärmsten in der Welt weniger Zugang zu fossiler Energie, sind also weniger betroffen. Und in Industrieländern nutzen Ärmere tendenziell eher den energieeffizienten öffentlichen Verkehr anstelle des eigenen Autos. Relativ mehr „günstige“ Befunde weist die Meta-Studie auch dort aus, wo die Forschung besonders genau hinschaut – indem sie etwa indirekte Effekte einer CO2-Bepreisung auf diverse Konsumgüter einkalkuliert oder Nachfrageanpassungen von Haushalten.

In Deutschland sieht die Anfang 2021 in Kraft tretende umfassenden CO2-Bepreisung einen starken sozialen Ausgleich vor (detaillierte MCC-Berechnungen dazu siehe hier). „Doch vor allem in vielen Schwellenländern werden entsprechende Reformen durch die Wahrnehmung behindert, das die marktwirtschaftliche Steuerung über den Preis als Klimaschutz-Methode prinzipiell unsozial sei“, sagt Jan Steckel, Arbeitsgruppenleiter am MCC und einer der Mitautoren der neuen Studie. „Oft wird das auch von Vertretern fossiler Industrien gezielt so propagiert, weil sie bei ambitionierter Klimapolitik um die Rentabilität ihrer Investitionen fürchten müssen. Unser wissenschaftlich fundierter Überblick kann dazu beitragen, diesen Diskurs zu versachlichen.“

Weitere Informationen:

Ohlendorf, N., Jakob, M., Minx, J., Schröder, C., Steckel, J., 2020, Distributional Impacts of Carbon Pricing, Environmental and Resource Economics

doi.org/10.1007/s10640-020-00521-1


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /