Windenergie im EEG2021 – Parlamentsbeschluss mit Tücken

Windkraftanlagen von Nordex auf Gittermasten.Foto: Guido Bröer
Für Ü20-Windräder schafft das EEG2021 vielleicht eine komplizierte Überbrückungshilfe, aber keine echte Zukunftsperspektive.
Für die Windenergie-Branche brachte das in der vergangenen Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedete EEG2021 einige dringend benötigte Regelungen. Doch sind die entscheidenden Paragrafen gespickt mit Klauseln und Hintertürchen.

Auf den ersten Blick hat die Koalition zwar eine Woche vor Weihnachten für die Windenergie-Branche einige Kühe vom Eis geholt, doch im Detail bringen die Beschlüsse zum EEG2021 beispielsweise zu Ü20-Anlagen und der Abregelung bei negativen Strompreisen im § 51 allerhand Stoff für neue Konflikte.

Keine „wilde Einspeisung“

Dringend schien der Koalition eine Lösung für 3,6 Gigawatt an alten Windkraftanlagen. So viel Erzeugungskapazität wäre nach einer Schätzung der Fachagentur Windenergie an Land zum Jahreswechsel aus der Vergütung gefallen, wenn das Tauziehen der Großen Koalition um das EEG nicht rechtzeitig vor Weihnachten mit dem Parlamentsbeschluss als Zwischenergebnis beendet worden wäre. Die Anlagen können nun, solange ihre Betreiber keine bessere individuelle Lösung finden, bis Ende 2022 ihren Strom weiter ins Netz einspeisen. Die vor allem mit Blick auf eine fünfstellige Zahl von kleinen Photovoltaik-Anlagen befürchtete „wilde Einspeisung“ ist somit auch für altgediente Windmüller vom Tisch.

Der Netzbetreiber leitet an die Ü20-Windmüller zunächst den Jahresmarktwert abzüglich einer Vermarktungsgebühr durch. Aktuell ist dieser Marktwert für die meisten Windkraft-Oldtimer aber nicht kostendeckend. Für 2020 dürfte er sich nicht zuletzt wegen des Corona-Effekts an der Strombörse höchstens im Bereich von 2,5 Cent einpendeln. In den elf Monaten bis November lag er im Schnitt bei 2,35 ct/kWh). Zwar sind die alten Anlagen in der Regel abgeschrieben und die Kredite dafür getilgt, doch um weiter zu laufen brauchen sie Wartung und Pflege. Das heißt nicht nur regelmäßiger Ölwechsel, sondern vielfach ist auch eine neue „TÜV-Plakette“ in Form eines Standsicherheitsnachweises fällig. Und die Erneuerung dieser häufig ausgelaufenen Zertifikate ist kein Pappenstil.

1 ct/kWh, aber nur für ein halbes Jahr

Der Gesetzgeber hat deshalb mit dem EEG2021 beschlossen, den betroffenen Ü20-Windenergie-Anlagen im Jahr 2020 einen Ausgleichsbetrag von zunächst 1 ct/kWh zu zahlen. Dieser Ausgleichsbetrag, der nur für Windstrom, nicht für PV vorgesehen ist, steht noch unter dem Genehmigungsvorbehalt der EU-Kommission. So lange die Notifizierung nicht da ist, gibt es nur den reinen Marktwert vom Netzbetreiber. Davon gehen noch 0,4 Cent ab, die der Netzbetreiber für die Vermarktung des Stroms an der Börse einstreicht. Sollten die Anlagen schon per Smart Meter mit dem Internet verbunden sein, so verringert sich diese Obolus auf 0,2 ct/kWh. Falls Brüssel sich mit dem OK Zeit lässt, wird aber später nachgezahlt.

Degressive Übergangsförderung

Gleichwohl kann die 1-Cent-Prämie keine langfristige Planungsgrundlage sein. Der Betrag sinkt am 1. Juli 2021 auf 0,5 ct, am 1. Oktober 2021 auf 0,25 ct und entfällt dann für das Jahr 2022 ganz. Darin ist die Absicht des Gesetzgebers erkennbar, alte Windenergie-Anlagen aus dem EEG2021 heraus und entweder ins Repowering oder in die „sonstige Direktvermarktung“ zu treiben.

Vor diesem Hintergrund klingt es zunächst interessant, dass die Bundesnetzagentur zum 1. Juli 2021 parallel eine Ausschreibung anbieten soll. In der werden Ü20-Windmüller auf Marktprämien in Höhe von insgesamt maximal 3,8 ct/kWh bieten können. Allerdings reicht das Ausschreibungsvolumen von 1,5 GW nur für einen kleinen Teil der betroffenen Anlagen. An den Ausschreibungen teilnehmen dürfen auch nur Anlagen, die auf Flächen stehen, auf denen ein Repowering planungsrechlich ausgeschlos­sen ist. Für 2022 wird das Ausschreibungsvolumen auf 1 Gigawatt (GW) wei­ter reduziert, während zum Jahreswechsel 2021/2022 weitere 1,2 GW aus der EEG-Vergütung fallen, die dann um den kleiner werdenden Kuchen mitkonkurrieren. Und damit niemand auf die Idee kommt, auf den Höchstwert zu bieten, hat der Gesetzgeber im EEG2021 festgelegt, dass die BNetzA bei Unterzeichnung der Ü20-Windenergie-Ausschreibungen nur 80 Prozent der teilnehmen Bieter bezuschlagen darf.

Repowering erleichtern, aber wie?

Angesichts der vagen Aussichten für einen Weiterbetrieb der Ü20-Windräder haben die angekündigten Erleichterungen für deren Repowering bislang nur Ankündigungscharakter. Per Entschließung hat das Parlament immerhin die Bundesregierung aufgefordert „zu prüfen“, wie und ob im Baugesetzbuch, im Raum­ordnungsgesetz und im Bundesimmissionsschutzgesetz Gesetzesänderungen für das Repowering formuliert werden könnten.

Jedenfalls entfällt mit dem so genannten Netzausbaugebiet im Norden Deutschlands im EEG2021 eine der Hürden für den Windenergie-Ausbau. Und für Projekte im Süden bietet die neue Berechnungsformel künftig eine etwas bessere Wettbewerbsposition für die EEG-Auktionen. Das ist auch dringend nötig, wenn man sich nach der jüngsten Ausschreibung der Bundesnetzagentur die Ergebnisse für 2020 anschaut. Fast ein Drittel der 2020 ausgeschriebenen Windleistung konnte die Behörde nicht vergeben. Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie rechnet vor: „In 2020 wurden insgesamt 3860 MW Wind an Land ausgeschrieben, aber nur 2672 MW bezuschlagt. 1188 MW verlorenes Volumen lasten als schwere Hypothek auf der Energiewende.“

Öffentliche Belange gestrichen

Und doch verpasste die Koalition den Hoffnungen der Windbranche auf Beschleunigung der Projektanträge gleich vorn in der Präambel des EEG auf den letzten Metern vor dem Parlamentsbeschluss noch einen Dämpfer. Um Kommunen grundsätzlich mehr Planungssicherheit zu geben, hatte der Regierungsentwurf für das EEG an dieser prominenten Stelle klarstellen wollen: „Die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien liegt im öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit.“ Damit wäre ein öffentlicher Belang geschaffen worden. Der hätte vor den Verwaltungsgerichten – gerade im Bereich des Artenschutzes, aber nicht nur da – kommunale Entscheidungen für den EE-Ausbau gestärkt. Doch in den koalitionsinternen Verhandlungen wurde der Passus auf Betreiben der CDU-Verhandlungsführer gestrichen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Union, Joachim Pfeiffer, rechtfertigte dies in der Bundestagsdebatte am 17. Dezember damit, dass ein Verweis auf die „öffentliche Sicherheit“ und das „öffentliche Interesse“ im EEG die „kommunale Entscheidungfreiheit eingeschränkt hätte“. Das dürfte mancher Planungsdezernent anders beurteilen.

Windpfennig für Kommunen

Klar ist nun auch, wie die bundesweite Beteiligung von Kommunen an neuen Windparks aussehen soll. Betreiber dürfen Kommunen bis zu 0,2 ct pro Kilowattstunde des erzeugten Stroms ohne Gegenleistung schenken. Das Geld ist anteilig auf alle Gemeinden aufzuteilen, deren Gemeindefläche in einem 2500-Meter-Umkreis einer Windkraftanlage liegt. Für diese akzeptanzfördernde Ausgabe kann sich der Anlagenbetreiber beim Netzbetreiber schadlos halten. Der wiederum darf den Aufwand per EEG-Umlage an die Stromkunden weitergeben. Das EEG regelt übrigens in § 36k ausdrücklich, dass weder Angebot noch Annahme dieser gesetzlich „empfohlenen“ Zahlung als Bestechung beziehungsweise Vorteilsnahme strafrechtliche Relevanz bekommen könnten.

Obwohl die Kommunalabgabe frei­willig ist, erwartet die Windbranche, dass sie sich zum Standard entwickeln wird. Sie gilt freilich nicht für Bestandsanlagen und auch nur für solche Neuanlagen, die erfolgreich an einer EEG-Ausschreibung teilgenommen haben. Für Anlagen im Rahmen eines Power Purchase Agreements (PPA) gibt es – bislang – keine entsprechende Regelung.

90/10-Splitting bei der Gewerbesteuer

Außerdem ist für 2021 eine Reform der Gewerbesteuerzerlegung geplant. Sie soll dafür sorgen, dass Standortgemeinden von Windkraftanlagen künftig 90 statt bislang 70 Prozent der Gewerbesteuer bekommen. Die Kämmerer am Sitz der Betreiberunternehmen sollen sich entsprechend mit 10 Prozent begnügen. Im Vorgriff auf Projekte zur Sektorenkopplung soll es ein reformiertes Gewerbesteuersplitting auch für Solarparks und die Erzeugung von Wärme, Wasserstoff und anderen Energieträgern aus Solar- und Windstrom geben.

Heiße Diskussionen gab es im Vorfeld der EEG-Novelle um den in § 51 EEG enthaltenen Förderstopp bei negativen Börsenstrompreisen. Bislang trat die Kappung nach sechs Stunden mit ununterbrochen negativen Börsenstrompreisen in Kraft. Nach dem Regierungsentwurf sollte die Frist auf eine Stunde verkürzt werden. Das hätte deutliche Prognose-Unsicherheiten für die Betreiber und entsprechende Risikozuschläge bei der Finanzierung von Windprojekten bedeutet. Der Kompromiss, der für Wind- und Solarparks gleichermaßen gilt, legt die Grenze jetzt zunächst auf 4 Stunden fest. Anlagen mit weniger als 500 kW und Pilotwindkraftanlagen sind nach dem Parlamentsbeschluss nun von der Regelung befreit. Und auf Betreiben unter anderem des Bundesrates verlängern verlorene Förderzeiten am Ende den 20-jährigen Förderzeitraum entsprechend.

Mehr Ausbau gibt’s nur gegen verschärfte Kappungsgrenzen

Freilich hat die CDU/CSU bereits dafür gesorgt, dass es in der Entschließung ein Junktim zwischen etwaigen noch nicht beschlossenen beschleunigen Ausbaupfaden und der aktuellen Regelung im § 51 EEG gibt. Die Bundesregierung wird verbindlich aufgefordert, „im Zuge einer möglichen Erhöhung der Ausbaumengen auch ein weiteres Absenken der Vier-Stunden-Regel bei negativen Preisen vorzusehen.“

22.12.2020 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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