© stux pixabay.com
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Ein Jahr Türkis-Grün: Eine Zwischenbilanz zu Umwelt- und Energiethemen

Große Versprechungen, große Erwartungen - und großer Nachholbedarf bei Klima- und Artenschutz - Ökosozial umsteuern, Energie sparen, Aktionspläne für Biodiversität und Bodenschutz umsetzen

Anlässlich des einjährigen Bestehens der türkis-grünen Bundesregierung, die mit ambitionierten Zielen für Klima- und Artenschutz angetreten war, ziehen Global 2000 und der WWF kritische Zwischenbilanzen.

"Mit ihrem Regierungsprogramm präsentierte Türkis-Grün im Jänner 2020 ein ambitioniertes Paket umweltpolitischer Vorhaben. Doch fehlt es immer noch an der konkreten Umsetzung der Pläne und zukunftsfähigen Lösungen. Wir fordert nach dem Ende der Corona-Krise einen mutigen Neustart, mit einer Wiederbelebung der Wirtschaft, die nicht an veralteten Systemen festhält, sondern zukunftsorientierte Lösungen bringt und grüne, zukunftsfähige Jobs schafft", sagt Agnes Zauner, Geschäftsführerin von GLOBAL 2000.

Umsetzung als große Aufgabe

Das aktuelle Regierungsprogramm beinhaltet viele ambitionierte Ziele, unter anderem, Österreich bis 2040 klimaneutral zu machen. Jedoch kann Österreich die Trendwende in Richtung Klimaschutz nur schaffen, wenn diese konkreten Pläne auch umgesetzt werden. Praktisch alle für das Jahr 2020 vorgesehenen Vorhaben sind verschoben worden. Nur mit raschen und wirksamen Maßnahmen können wir die Klimaschutzziele erfüllen. Es muss kommendes Jahr gelingen, bahnbrechende Gesetze auf Schiene zu bringen. GLOBAL 2000 sieht prioritäre Handlungsfelder: Ein Ökobonus sowie ein CO2-Preis im Rahmen einer öko-sozialen Steuerreform muss kommendes Jahr umgesetzt werden. Außerdem braucht es ein wirksames Klimaschutzgesetz ebenso wie ein Gesetz, das den Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen klar regelt. Noch immer sind 600.000 veraltete Ölheizungen und 900.000 Gasheizungen in Österreich in Betrieb. Sollten weitere Konjunkturhilfen geplant werden, müssen diese an klare Klimaschutzkriterien gebunden werden. Auf diese Weise können klare Anreize für klimafreundliche Zukunftsinvestitionen gesetzt werden. "Am 13. Jänner wird das Klimavolksbegehren im Parlament das zweite Mal behandelt. Das ist die Chance für alle im Parlament vertretenen Parteien beim Klimaschutz Farbe zu bekennen und den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle voranzubringen", so Agnes Zauner weiter.

Mobilitätswende als Notwendigkeit

Nach wie vor ist der Verkehr das "Sorgenkind" der Klimapolitik Österreichs. Gegenüber 1990 sind die Treibhausgasemissionen um 75 Prozent gestiegen. Trotzdem hat es im vergangenen Jahr zu wenig Fortschritte gegeben. Einzig die Diskussionen um das 1-2-3 Ticket wird klimafreundliche Mobilität nicht in die richtige Richtung bringen. Um die Mobilitätswende endlich einzuleiten, ist es notwendig, alle Verkehrsknoten sinnvoll zu vertakten und öffentliche Verbindungen stärker als bisher geplant auszubauen. Nur wenn es öffentliche Verkehrsverbindungen gibt, die auch für alle leistbar sind, wird die Bevölkerung nicht mehr an die klimaschädliche Fortbewegung mit dem Auto gebunden sein.

Landwirtschaft und Biodiversität

Die europäischen Zielvorgaben umfassen insbesondere die Verringerung des Pestizid- und Antibiotikaeinsatzes um 50 Prozent und des Düngemitteleinsatzes um 20 Prozent und eine Steigerung der Biolandwirtschaft auf 25 Prozent bis zum Jahr 2030. Doch anstatt diese Pläne der EU-Kommission zum Schutz des Wassers, des Bodens und der Artenvielfalt zu unterstützen, hatte sich das Landwirtschaftsministerium an die Spitze jener Mitgliedsstaaten gestellt, welche die gesetzliche Implementierung - insbesondere des 50 Prozent Pestizidreduktionsziels - verhindern bzw. möchten. Auch der Strategieplan für die nationale Umsetzung der GAP lässt - soweit bisher bekannt - erahnen, dass die österreichische Landwirtschaftspolitik ihren bisherigen Kurs weiterfahren möchte und im Bereich der biologische Landwirtschaft sogar eine Schwächung drohen könnte. Passend dazu auch die bisherige Weigerung der Bundesregierung, das vom Parlament beschlossene und von der überwältigenden Mehrzahl der ÖsterreicherInnen unterstützte Glyphosatverbot umzusetzen. Dies obwohl Bundeskanzler Kurz einen Ausstieg aus Glyphosat schon im Dezember 2017 als eine der ersten Maßnahmen seiner Kanzlerschaft unter Türkis-Blau angekündigt hatte. Mit dieser Politik des "business as usual" stellt sich das österreichische Landwirtschaftsministerium gegen den wachsenden wissenschaftlichen Konsens, dass die Wahrung unserer Lebensgrundlagen nach weitreichenden und tiefgreifenden Veränderungen verlangt. Stattdessen wird ntgegen den Fakten das Mantra vom "Umweltmusterland Österreich" gebetsmühlenartig wiederholt. Die Umweltziele des Europäischen Grünen Deals drohen damit außer Reichweite zu gelangen. GLOBAL 2000 sieht daher die Bundesregierung und das Umweltministerium dringend gefordert, einen Kurswechsel in der österreichischen Landwirtschaftspolitik einzuleiten.

Kreislaufwirtschaft

Nach den Prinzipien "Vermeiden, Wiederverwenden und Verwerten", sollen wertvolle Ressourcen verantwortungsbewusst, sparsam und effizient genutzt werden. So soll das Österreichische Kunststoffprogramm die Reduktion von Plastik weiter vorantreiben - u.a. mit einer gesetzlichen Verankerung eines Reduktionsziels für Plastikverpackungen um 20 Prozent, dem gesetzlich verbindlichen Ausbau von Mehrweg sowie der konsequenten Umsetzung der EU-Einwegplastikrichtlinie. In der längst überfälligen Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle müssen die angekündigten Plastikreduktionsmaßnahmen konsequent umgesetzt und der Weg für eine ressourcenschonendere Zukunft geebnet werden.

Lernen aus der Coronakrise

Die neue Bundesregierung hatte 2020 keinen einfachen Start. Doch sie stellte angesichts der ersten Covid19-Welle unter Beweis, dass sie rasch effiziente Entscheidungen treffen kann. Genau diese Handlungsmotivation braucht es auch bei der Klima- und Artenkrise, um in eine nachhaltige Zukunft zu steuern und unsere Wirtschaft auf eine nachhaltige Trendwende vorzubereiten. Das zweite Halbjahr hat uns gelehrt, wie wichtig es ist, Warnsignale rechtzeitig zu erkennen, um zeitnah und adäquat auf Krisen zu reagieren. Bei Umweltthemen fehlt das noch.

WWF: Mehr Tempo und umfassende Reformen notwendig

„2021 wird ein Schlüsseljahr. Der Neustart nach der Coronakrise muss klima- und naturverträglich sein, damit Österreich langfristig krisensicher ist. Ansonsten explodieren sowohl die CO2-Emissionen als auch der ohnehin schon viel zu hohe Bodenverbrauch. Das wäre völlig fahrlässig“, warnt WWF-Programmleiterin Hanna Simons. Zentrale Messlatten sind eine große Natur- und Bodenschutz-Offensive sowie eine ökosoziale Steuerreform samt Öko-Bonus und CO2-Bepreisung. Parallel dazu muss die Politik umweltschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg abbauen.

Immens wichtig ist außerdem eine ambitionierte Biodiversitätsstrategie. „Die neue Strategie muss einen wirksamen Aktionsplan mit konkreten Zielen, Vorgaben und Zuständigkeiten enthalten, damit sie nicht zum Papiertiger wird“, appelliert WWF-Ökologe Arno Aschauer.

Naturverträglicher Ausstieg aus Öl und Gas

Auf den geplanten Beschluss eines Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes mit entsprechenden Naturschutzkriterien muss ein starkes Energieeffizienzgesetz folgen, das derzeit ohne Nachfolgeregelung ausgelaufen ist. „Eine echte Energiewende setzt zuerst beim Verbrauch an. Ohne Energiesparen werden wir die Klimaziele nicht erreichen“, sagt WWF-Programmleiterin Hanna Simons. Zusätzlich fordert der WWF ein verbindliches Klimaschutzgesetz mit konkreten Verantwortlichkeiten und Maßnahmen – vom Verkehr über die Gebäude bis zur Landwirtschaft. Immens wichtig wäre auch ein unabhängiger, wissenschaftsbasierter Klima- und Biodiversitäts-Check für alle Gesetze. „Wir brauchen dringend mehr Konsequenz und Kontrolle, damit der Ausstieg aus Öl und Gas naturverträglich gelingt. Dazu gehört auch, dass die Politik nicht mehr in die fossile Vergangenheit investiert“, bekräftigt Hanna Simons.

Klar ist damit: Entsprechendes Handeln ist ein Muss!


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /