Energiewende in Bürgerhand schwindet

Grafik zeit Kuckendiagramm mit Eigentümerstruktur bei erneuerbaren Energien inn Deutschland.
Noch bilden Bürgerinnen und Bürger das Rückgrat der Energiewende.
Eine Studie der Agentur Erneuerbare Energien zeigt, dass der Anteil der Bürgerinnen und Bürger sinkt, die Eigentümer von Anlagen zur Ökostromerzeugung sind. Greenpeace warnt, die Energiewende nicht den Großinvestoren zu überlassen.

Die Energiewende in Deutschland verliert anteilsmäßig immer mehr Bürgerinnen und Bürger als wichtige Eigentümer und Akteure. Das geht aus einer neuen Untersuchung im Auftrag der Agentur Erneuerbare Energien (AEE) hervor. Dabei spielen sie für eine erfolgreiche Energiewende eine Schlüsselrolle. Noch befinden sich die Erneuerbaren Energien zwar zum größten Teil in der Hand von Privatpersonen, wie aus der Studie des Instituts trend:research hervorgeht. Fast ein Drittel der installierten Leistung von Anlagen zur Stromerzeugung aus Wind-, Solar- und Bioenergie sowie aus Wasserkraft und Erdwärme befinden sich in deren Eigentum. Inklusive der Landwirt*innen sind es sogar mehr als 40 Prozent.

Doch der Anteil der Bürgerenergie sinkt gegenüber den Vorjahren. „Die Investitions- und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger*innen ist für die Akzeptanz des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien unverzichtbar“, betont der Geschäftsführer der AEE, Dr. Robert Brandt. 

Vor zehn Jahren, als die Eigentümerstruktur der Erneuerbaren Energien erstmals untersucht wurde, war mehr als die Hälfte der installierten Leistung in der Hand von Privatleuten und Landwirt*innen. Bis zum Jahr 2016 sank der Anteil der Bürgerenergie auf 42 Prozent, 2019 ging er nochmal leicht zurück auf 40,4 Prozent. Der Anteil Gewerbetreibender, großer Unternehmen, von Energieversorgungsunternehmen sowie von Fonds und Banken hat sich dagegen erhöht.

„Zu Beginn der Energiewende waren es vor allem die Bürger*innen in Deutschland, die die wirtschaftlichen Chancen der Erneuerbaren Energien erkannt haben. Dass sich nun auch finanzkräftige Investoren mehr für eine klimaschonende Energieerzeugung engagieren, ist durchaus erfreulich. Doch die Bürgerenergie muss unbedingt weiter ihren Platz im Fortgang der Energiewende finden. Denn Beteiligungsmöglichkeiten fördern die Akzeptanz“, erklärt Brandt. 

48 Prozent der PV in Bürgerhand

Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil der Bürgerenergie bei der Windenergie an Land, Photovoltaik und bei Biogas. Privatleute und Landwirt*innen bringen es bei der Windenergie an Land auf einen Anteil von 40,6 Prozent. Beim Solarstrom vereinen sie sogar 48 Prozent der installierten Leistung auf sich. Diese Form der Stromerzeugung ist aber auch für Gewerbetreibende besonders attraktiv. Diese sind hier mit rund 25 Prozent ebenfalls stark vertreten. Biogasanlagen sind wenig überraschend vor allem im Besitz von Landwirt*innen. Drei Viertel der Anlagen entfallen auf landwirtschaftliche Betriebe. Anders als die Windenergie an Land wird die Offshore-Windenergie von den Energieversorgern sowie von Fonds und Banken dominiert. Auf erstere entfallen fast zwei Drittel der Offshore-Kapazitäten, auf letztere das restliche Drittel. 

Bei Neuanlagen nur noch 18 Prozent Bürgerenergie

Wie sehr sich die Eigentümerstruktur von der Bürgerenergie zugunsten größerer Investoren verschiebt, zeigt ein Blick auf die Anteile am Zubau. Zum ersten Mal bildeten die Privatpersonen im Jahr 2019 mit 18 Prozent nicht mehr die größte Gruppe beim Bau neuer Anlagen. Fonds und Banken übernahmen den Spitzenplatz mit 21 Prozent. Rechnet man die Landwirt*innen hinzu, kommt die Bürgerenergie bei den Neuanlagen nur noch auf etwa ein Viertel. Das sind etwa 15 Prozentpunkte weniger als im Bestand. Hier macht sich bemerkbar, dass der Anteil der investitionsintensiven Offshore-Windenergie steigt und die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen wieder anzieht, während der Ausbau der Onshore-Windenergie fast zum Erliegen gekommen ist.

Energieversorgungsunternehmen – insbesondere die großen und internationalen Energieversorger – engagieren sich deutlich stärker. Zusammen waren sie im Jahr 2019 für knapp ein Drittel des Zubaus verantwortlich. 2016 waren es erst 22 Prozent. Gewerbe konnten ihren Anteil von ca. 12 auf 16 Prozent steigern. Am stärksten verloren die Projektierer. Deren Anteil sank von ca. 16 auf sieben Prozent, was auf den schwachen Ausbau der Windenergie an Land zurückzuführen ist.  „Für das Erreichen der Klimaschutzziele brauchen wir mehr Zubau in allen Bereichen und in allen Größenklassen – von der kleinen PV-Dachanlage auf dem Eigenheim, über das Bürgerwindrad bis zum Offshore-Windpark. Dafür braucht es die Investitionsbereitschaft aller und Beteiligungsmöglichkeiten für alle“, betont AEE-Geschäftsführer Brandt.

„Energiewende nicht dem Big Money überlassen“

Greenpeace Energy warnt in diesem Kontext, die Energiewende den Großinvestoren zu überlassen. „Die AEE-Umfrage ist ein Weckruf“, sagt Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy. „Die Energiewende muss dezentral, demokratisch und vielfältig bleiben, man darf sie nicht ‚Big Money‘ überlassen. Zwar ist es positiv, dass große Player auf dem Finanzmarkt und auch Energiekonzerne Geld in saubere statt in fossile Kraftwerke investieren. Dies hat aber eine Schattenseite. Die über viele Jahrzehnte wichtigste Akteursgruppe droht vielerorts ins Hintertreffen zu geraten oder zieht sich frustriert zurück. Dabei sind es gerade die engagierten Menschen aus der lokalen Bürgerenergie, die Windparks auch dort ins Laufen bringen, wo Großunternehmen aus Profitgründen abwinken. Solche Energiebürger sorgen dafür, dass die Wertschöpfung am Ort bleibt, dass lokale Betriebe und kommunale Kassen von Ökostrom-Projekten angemessen profitieren.“

15.1.2021 | Quelle: AEE | © Solarserver / Solarthemen Media GmbH

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