© Global 2000/ Mochovce - Ein Problem
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Keine Betriebserlaubnis für Mochovce 3

Kontroll-Versagen der Atomaufsicht - neue Whistleblower-Fotos zeigen Unzuverlässigkeit der Dokumentation.

Gestern endete die Frist für Stellungnahmen zum Entwurf der Betriebserlaubnis für Mochovce Reaktor 3. Sobald diese Erlaubnis von der slowakischen Atomaufsicht erteilt wird, kann die Betreibergesellschaft laut ihrem Plan im Mai Kernbrennstoff in die Anlage einführen und den Reaktor in Betrieb nehmen.

Die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 gibt erneut eine vernichtende Stellungnahme zu den vorgelegten Dokumenten ab, die aufgrund unserer Kritik im Vorjahr, coronabedingten Bau-Verzögerungen und aufgrund von kriminalpolizeilichen Ermittlungen nochmals vorgelegt wurden.Neben den bekannten Problemen der Anlage mit Baubeginn 1985 und einem Sicherheitskonzept aus Sowjet-Zeiten - mangelnde Widerstandskraft gegen den Aufprall eines absichtlich oder durch einen Unfall auftreffenden großen Flugzeugs, Alterung der Bauteile - sind immer noch nicht alle Bauteile überhaupt auf ihre Einsatzfähigkeit geprüft worden.

Weiters wurde 2020 durch Ermittlungen der slowakischen Kriminalpolizei aufgedeckt, dass bereits verbaute Rohrleitungen unter anderem des Primärkreislaufs teilweise von minderwertiger Qualität sind und ihre Zertifikate teils gefälscht und damit unzuverlässig waren: Seither wurden 2960 Rohrleitungen überprüft, in 288 Fällen wurden Abweichungen von der technischen Spezifikation gefunden, in 52 Fällen waren Zertifikate gefälscht. Im Falle einer Inbetriebnahme könnten schwere Unfälle bis zum Super-GAU die Folge sein.

"Die tatsächliche Zahl der Fälschungen mag gering sein - das viel größere Problem ist jedoch, dass alle Dokumentationen und Zertifikate der Betreibergesellschaft offenkundig unzuverlässig sind, und das im Kernbereich eines nicht einmal den heutigen Sicherheitsstandards entsprechenden Atom-Reaktors", betont Reinhard Uhrig, Atomsprecher von GLOBAL 2000. "Schlimmer noch, es sind nun Beweisfotos für die Zeugenaussagen eines Baustatik-Ingenieurs aufgetaucht, die belegen, dass auch bei den zehntausenden Bohrungen in den hermetischen Kammern des Reaktors die Sicherheitsprotokolle nicht eingehalten wurden."

Zertifikate der Bohrarbeiten entsprechen nicht den Foto-Belegen Der Whistleblower, der vor zwei Jahren vor tausenden unkontrollierten Bohrungen in den hermetischen Kammern von Mochovce warnte, konnte auf einer Sicherungsfestplatte heimlich gemachte Aufnahmen von den Bohrarbeiten sicherstellen. Die Fotos dokumentieren, dass die Behauptungen der Betreibergesellschaft falsch sind und die Bohr-Zertifikate wohl teilweise ebenso gefälscht sind wie die der Rohrleitungen. Bereits 2016 ermittelte die slowakische Kriminalpolizei gegen die Firma, die die Bohrungen durchführte - auch hier bestand Verdacht auf Betrug und Korruption.

Der Mochovce-Betreiber behauptet, dass alle der über 60.000 Bohrungen sachgemäß nach striktem Sicherheitsprotokoll durchgeführt wurden, mit Probebohrungen vor den vielen kleineren und großen Bohrungen, die teilweise bis zu zehn Zentimeter Durchmesser und einen Meter Tiefe hatten. Nur in insgesamt 22 Fällen sei es laut Zertifikaten zu Beschädigungen von Befestigungsstahl oder anderen Teilen gekommen. Die Fotos zeigen eindeutig, dass das nicht stimmt - Ankerplatten ohne Vorbohrungen und Bohrarbeiten mit großem Durchmesser sind zu sehen, die eindeutig nicht nach Vorschrift gemacht wurden.

"Kein Ingenieur kann derzeit sagen, wie diese tausenden Bohrungen die Statik der Gebäude beeinträchtigt haben - und ob die hermetischen Kammern einer Dampfexplosion wie in Fukushima standhalten würden", erklärt Uhrig. "Solange die bekannten Probleme der Anlage wie die Flugzeugsabsturz-Sicherheit nicht gelöst werden, essenzielle Komponenten des Reaktors wie das Feuerlösch-System nicht endabgenommen sind und solange die dokumentierten Zeugenaussagen nicht restlos aufgeklärt werden, darf keine Betriebserlaubnis für den Reaktor erteilt werden."

Seit langem Bedenken in Wien

Wien hat schon seit langem Bedenken gegen die Blöcke 3 und 4 des slowakischen Atomkraftwerks Mochovce - die von Global 2000 veröffentlichten Informationen über die Unzuverlässigkeit vorgelegte Dokumente und gefälschte Zertifikate bestätigen unsere Befürchtungen", betonte Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky. "So dürften die Sicherheitsstandards beim Reaktor-Block 3 mehr als mangelhaft sein. Ich fordere deshalb, die Inbetriebnahme sofort zu stoppen. Es ist fünf vor zwölf!"

Die massiven Missstände seien bereits seit längerem dokumentiert: "Klar ist, dass die über Jahre hinweg vermutenden Mängel, durch die Realität noch übertroffen werden. Anscheinend hat sich die Situation auf der Baustelle durch die Jahre hinweg immer weiter verschlechtert!" so Czernohorszky. "Der mangelnde, Umgang mit Anforderungen im Bereich der Sicherheit und Notfallvorbereitung, sowie die mangelhafte Schulung der Bauausführenden und des zukünftigen Betriebspersonals lassen ein verantwortungsvolles und sicheres Betreiben der Anlage unmöglich erscheinen!"

"Wie bereits mehrfach von der Wiener Umweltanwaltschaft und zuletzt durch den Wiener Gemeinderat gefordert, trete ich für einen sofortigen Baustopp in Mochovce ein", so Czernohorszky. "Die Republik Österreich ist aufgefordert, bei der Slowakischen Republik mit Nachdruck auf eine Einstellung aller Vorbereitungen für einen Betrieb von Mochovce 3 und 4 zu bestehen, bis der tatsächliche Ist-Zustand der Anlagen, unter Beteiligung unabhängiger internationaler ExpertInnen, festgestellt und dokumentiert worden ist!"

Klimaschutzministerin Gewessler will Aufklärung rund um neue Vorwürfe in Mochovce

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zeigt sich anlässlich der Vorwürfe besorgt und lässt diese durch die Expertinnen und Experten des Klimaschutzministeriums prüfen.

"Atomkraft ist eine hochriskante Technologie und birgt große Risiken für unsere Gesundheit und unsere Umwelt. Die eben veröffentlichten Vorwürfe sind besorgniserregend und ernst zu nehmen. Wir werden diesen neuen Hinweisen zu konkreten Mängeln wie bisher so rasch wie möglich mit Unterstützung von Fachexpertinnen und -experten nachgehen", betont Gewessler.

"Sollte sich der Verdacht erhärten, werde ich mich auch nochmals an meinen slowakischen Amtskollegen wenden. Unsere Position ist unverändert: Solange noch offene Sicherheitsfragen oder berechtigte Zweifel an der nuklearen Sicherheit bestehen, darf es unter keinen Umständen eine Inbetriebnahme geben", so Gewessler weiter.

Gefährliches Bauprojekt muss endlich eingestellt werden

"Seit Baubeginn 1985 treten bei diesem Projekt verschiedenste Probleme auf. Das AKW hat ein Sicherheitskonzept aus Sowjet-Zeiten. Es ist zum Beispiel nicht ausreichend gegen den Aufprall eines Flugzeugs und den damit einhergehenden verheerenden Folgen gesichert. 2020 wurde sogar aufgedeckt, dass einige Zertifikate für wichtige Bauteile im AKW Mochovce gefälscht wurden. All dies macht nur deutlich, was aus unserer Sicht ohnehin klar ist: Es ist Zeit, endlich einen Schlussstrich unter das gefährliche Projekt zu ziehen und es zu beenden", sagt Martin Litschauer, Anti-Atom-Sprecher der Grünen.

"Mit einem Versuch der Inbetriebnahme wird nicht nur die Bevölkerung gefährdet. Denn ein Abriss eines AKW, das in Betrieb war, ist deutlich schwieriger und verursacht unnötige Kosten auf den Schultern der slowakischen Bevölkerung. Auch für den Atommüll gibt es weiter keine Lösung, womit auch künftige Generationen extrem belastet werden", meint Litschauer. "Mittlerweile liegen die Stromkosten für Erneuerbare Energieträger bereits deutlich unter jenen von Atomkraftwerken. "In den USA werden bereits Atomkraftwerke aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Daran sollten sich all jene orientieren, die weiter auf die rückschrittliche Atom-Technologie setzen wollen."


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /