24.05.2022, 11:51 Uhr

Kritik an EU-Entwurf: Delegierter Rechtsakt bremst grünen Wasserstoff aus


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Münster - Die EU-Kommission hat in der letzten Woche mit der REPowerEU-Kampagne ambitionierte Ziele für die Energiewende bekannt gegeben. Fast zeitgleich hat die Kommission auch einen delegierten Rechtsakt für grünen Wasserstoff vorgelegt, der in der Energiewirtschaft auf wenig Zustimmung stößt.

Mit der REPowerEU-Initiative will die EU-Kommission ihre Ziele für Versorgungssicherheit, Unabhängigkeit von russischen Energieimporten und ambitionierten Klimaschutz entscheidend vorantreiben. Zentrale Bausteine darin sind der erhöhte Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Beschleunigung des Hochlaufs des Wasserstoffmarktes. Die Europäische Kommission hat vergangenen Freitag (20.05.2022) in diesem Zusammenhang den Entwurf eines sogenannten delegierten Rechtsakts zur europäischen Wasserstoffwirtschaft vorgelegt. Darin legt sie Kriterien für den Strombezug zur Herstellung von grünem Wasserstoffs fest. Beim Energiekonzern RWE und beim Bundesverband der Energie- und Wasserstoff stößt der delegierte Rechtsakt auf heftige Kritik.

RWE: Ambitionierte Ziele der REPowerEU-Initiative werden durch konkrete Regulierung konterkariert

Aus der Sicht von RWE werden mit dem jetzt vorgelegten delegierten Rechtsakt, der die künftigen Spielregeln für die europäische Wasserstoffproduktion konkretisiert, dem Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft unnötige Fesseln angelegt.

So sieht der Entwurf des delegierten Rechtsaktes vor, dass bereits nach einer kurzen Übergangszeit bis Ende 2026 nur noch Strom aus neu zu bauenden und ungeförderten Windkraft- und Solaranlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff zugelassen werden soll. Auch wenn Planungs- und Genehmigungsverfahren neuer Windkraft- und Solaranlagen künftig beschleunigt werden sollen, würde die Produktion von grünem Wasserstoff in großen Mengen damit nicht vor 2030 möglich werden, so die Einschätzung von RWE.

„Mit dem aktuellen Vorschlag wird ein guter Plan durch die konkrete Regulierung ausgebremst: Europa braucht grüne Gase eher heute als morgen, zur Erreichung unserer Klimaschutzziele und für mehr Unabhängigkeit von Russland“, so der Vorstandsvorsitzende der RWE AG Dr. Markus Krebber.

Problematisch sei auch der Vorschlag, dass Elektrolyseure immer nur dann Wasserstoff produzieren dürfen, wenn nahezu zeitgleich auch Strom aus diesen neuen Windparks und Solaranlagen erzeugt wird. Diese zeitliche Korrelation führe dazu, dass Elektrolyseure bei jeder längeren Flaute stillstehen. Das macht den Betrieb und damit den Wasserstoff unnötig teuer und eine kontinuierliche Lieferung an die Industrie nahezu unmöglich, kritisiert der Energiekonzern.

Was als Beschleunigung gedacht ist, wird so zum Bremsklotz, kritisiert RWE. Die direkte Kopplung an die Erzeugung aus direkt zugeordneten Erneuerbaren Anlagen gebe es auch für andere Bereiche wie etwa die Elektromobilität nicht.

Mit Blick auf die Bereitschaft von RWE und vielen Industrieunternehmen, Milliarden für die Umstellung auf grünen Wasserstoff investieren zu wollen, bräuchten die Unternehmen die Gewissheit, dass grüner Wasserstoff so schnell wie möglich, in ausreichenden Mengen und zu vertretbaren Kosten verfügbar sein wird, so RWE. Die Wirtschaft habe deshalb in den vergangenen Monaten viele konstruktive Vorschläge erarbeitet, für die sich der Energiekonzern in der nun anstehenden Konsultation aktiv einsetzen werde.

BDEW: Hochlauf nicht ausbremsen, bevor er überhaupt Fahrt aufnimmt

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht die Gefahr, dass die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Kriterien für den Strombezug zur Herstellung von grünem Wasserstoff die Entstehung eines liquiden Wasserstoffmarkts erheblich ausbremsen oder gar verhindern könnten. Mit Herkunftsnachweisen bestehe bereits ein bewährtes System, um sicherzustellen, dass ausschließlich erneuerbarer Strom für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff genutzt wird. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Kommission nun stattdessen eine Vielzahl neuer Kriterien ansetzen möchte, die insbesondere in Kombination nur sehr schwer zu erfüllen sind“, so die Vorsitzende der BDEW Hauptgeschäftsführung Kerstin Andreae.

Zur Senkung der Gestehungskosten von erneuerbarem Wasserstoff müssten Elektrolyseure möglichst hohe Vollbenutzungsstunden aufweisen können. Ein sehr rigider zeitlicher Zusammenhang - wie von der EU-Kommission vorgesehen - zwischen Erzeugung des erneuerbaren Stroms und der Wasserstoffherstellung, zum Beispiel, dass der Strom in der gleichen Stunde, in der er erzeugt wurde, auch für die Wasserstoffproduktion genutzt werden muss, sei hier kontraproduktiv. Eine hohe Auslastung der Elektrolyseure ist damit nach BDEW-Einschätzung deutlich schwerer zu erreichen.

„Der Wasserstoffhochlauf darf nicht ausgebremst werden, bevor er überhaupt Fahrt aufnimmt. Bei der Ausgestaltung der Kriterien für die Herstellung erneuerbaren Wasserstoffs insbesondere in der Hochlaufphase ist deshalb Pragmatismus gefragt“, fordert Andreae Korrekturen an dem vorliegenden Entwurf des delegierten Rechtsaktes.

Quelle: IWR Online

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