Heizung und Warmwasser
Quelle: Pia Grund-Ludwig

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Forscher vergleichen CO2-Ausstoß stundengenau für ein komplettes Jahr

Studie: Solarwärme schlägt Wärmepumpe oft bei CO2

In der Bestandssanierung hat Solarthermie gute CO2-Werte. © P. Grund-Ludwig

"Die Wärmepumpe ist das Heizsystem der Zukunft: Sie verursacht niedrige CO2-Emissionen, die sich mit jedem Prozent mehr von Wind und Sonne im Strommix verringern." So argumentieren die Anhänger von Erd- und Luftwärmepumpen. Die Skeptiker verweisen jedoch darauf, dass im Hochwinter, wenn Wärmepumpen viel Strom ziehen, klimaschädliche Kohlekraftwerke die geringe Solarstromproduktion ersetzen. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FFE) liefert erstmals harte Daten zu diesem Streit.

Der Physiker Roger Corradini hat zusammen mit seinem Forscherkollegen Jochen Conrad die CO2-Emissionen einer Wärmepumpe für jede der 8.760 Stunden eines Jahres bestimmt. Die beiden haben untersucht, in welcher Stunde welches Kraftwerk mit welcher Auslastung eingesetzt worden ist. Basis war das Jahr 2013, zu dem aktuell alle nötigen Daten vorliegen.

Sie konnten dabei, gestützt auf jahrelange Vorarbeiten der Forschungsstelle, einen stündlich genauen Emissionsfaktor für den Wärmepumpenstrom ermitteln. Dem stellten sie die ebenfalls stündlich aufgelösten Wärmepumpen-Lastgänge gegenüber. Corradini: "So hat man wirklich die Emissionen, die die Wärmepumpe verursacht."

Erdwärmepumpe gut, Luftwärmepumpe schlecht

Das Resultat wurde in der FFE mit den Emissionswerten des zweiten in Deutschland gängigen Systems , einem Erdgaskessel plus Solarthermie verglichen. Dabei unterscheiden die Forscher außerdem Neubau und Altbausanierung.

Bei neuen, energieeffizienten Häusern dürfen sich Anhänger der Erdwärmepumpe bestätigt fühlen: Fast alle vermessenen Anlagen dieses Typs liegen bei den spezifischen CO2-Emissionen besser als eine Gas-Solarthermie-Kombination, die so viel kostet wie die Erdwärmepumpe. Bei der Gas-Solar-Kombiheizung werden mit 34 Quadratmetern Kollektorfläche rund 43 Prozent der benötigten Endenergie solar erzeugt.

Der Strombezug für die Luft-Wärmepumpe mit ihrer physikalisch bedingt schlechteren Jahresarbeitszahl verursacht dagegen fast immer einen höheren CO2-Ausstoß als Gas plus Sonnenwärme. Die für die Bilanz entscheidende Eingangsgröße "Jahresarbeitszahl" haben Corradini und Conrad den groß angelegten Messungen realer Anlagen der Fraunhofer-ISE-Forschergruppen Miara (Neubauten) und Russ (Altbauten) entnommen.

Für Wärmepumpen in der Bestandssanierung sieht die Bilanz schlechter aus. Eine Luftwärmepumpe am unteren Ende der Jahresarbeitszahl-Skala aller Anlagen der Russ-Messungen, also mit einer Jahresarbeitszahl von 2, erreicht gerade einmal den CO2-Kennwert einer reinen Gasheizung ohne Solarwärme. Und auch bei der für die Luftwärmepumpe günstigsten Jahresarbeitszahl aus den Russ-Messungen schneidet dieser Gerätetyp nicht besser ab als die kostengleiche Gas-/Solarwärme-Kombination mit 50 m² Kollektorfläche. Bei Erdwärmepumpen in Bestandsgebäuden gibt es keine eindeutige Tendenz: In manchen Fällen verursachen sie weniger, in manchen mehr CO2 als eine kostenäquivalente Gas-Solarthermie-Kombination.

Szenario berechnet CO2 aus 100 Prozent Erneuerbaren

Neben diesen auf die aktuelle Situation gemünzten Vergleichen hat man bei der FFE auch eine weit in die Zukunft reichende Konstellation durchgerechnet. Zum einen besteht sie aus einem sogenannten "100-Prozent-Erneuerbare-Energien-Szenario", bei dem so lange Windkraft, Photovoltaik und so weiter die konventionellen Kraftwerke verdrängt haben, bis diese nur noch etwa 16 Prozent der elektrischen Arbeit beisteuern. Das würde automatisch die CO2-Bilanz von Wärmepumpen massiv verbessern.

Zum anderen sind es neu gebaute "Solarhäuser" mit großem Saisonwärmespeicher, für die ein solarer Anteil an der Wärme-Endenergie von typisch 65 Prozent angenommen wurde. Ein gutes Erdwärmepumpen-System zieht demnach mit dem Solarhaus ab einem Erneuerbaren-Stromanteil in einer bereits heute erreichten Größenordnung, nämlich 39 Prozent, gleich. Ein Luftwärmepumpe würde dagegen theoretisch auch in einem Neubau für gleiche CO2-Emissionen ganze 91 Prozent Erneuerbaren-Anteil im Strommix benötigen.

Diese Vergleiche setzen insgesamt ein Fragezeichen hinter die auch im Wirtschaftsministerium "herrschende Lehre", die derzeit stark zu einem elektrischen Energiesystem tendiert. EnBauSa hat deshalb mit Roger Corradini die Annahmen und die Methodik der FFE-Studie abgeklopft und auch den Bundesverband Wärmepumpe (BWP) um einen Kommentar gebeten. Dabei ergab sich keine Schwachstelle, die Corradinis Ergebnisse grundsätzlich infrage stellen würde.

Was die fachliche Auseinandersetzung damit allerdings erschwert, ist, dass keine Langfassung der Studie veröffentlicht ist, sondern lediglich ein allgemein gehaltener Übersichtsbeitrag sowie diverse Berechnungsgrundlagen, die man sich auf der FFE-Internetseite zusammensuchen muss.

BWP: "Gar nicht so verkehrt, aber..."

Alexander Sperr, Referent Normen und Technik des BWP, kann der Studie aus München durchaus etwas abgewinnen: "Von der Art her, wie die FFE herangeht, finde ich es gar nicht so verkehrt." Er weist aber unter anderem auf die Energiepreise hin, die von Corradini über die auf 2013 folgenden 20 Jahre als konstant angenommen wurden.

Hier folgen die FFE-Forscher in der Tat einem Muster, das man kritisieren kann: Da Energiepreisentwicklung, Änderungen des Zinsniveaus und Ähnliches schwer prognostizierbar sind, wurden viele Parameter einfach auf dem Stand von 2013 eingefroren. Corradini argumentiert hier, es gebe zu manchem einen "ganzen Stapel an Szenarien (...). Wenn sie die komplette Breite dieser verschiedenen Szenarien aufspannen, dann kommt heraus: Die Wärmepumpe kann sehr, sehr viel schlechter sein als das Gebäude mit Gas und Solarthermie oder sehr, sehr viel besser - das wusste man vorher auch schon."

BWP-Referent Sperr sagt zum Resultat der FFE-Berechnungen: "Mit den Ergebnissen im Neubau kann man ja leben: Da sind schon mit dem aktuellen Strommix die Erdwärmepumpensysteme besser (...)." Er frage sich allerdings, "wie Herr Corradini auf eine kostenäquivalente Kollektorfläche von 50 Quadratmeter kommt. (...) Wenn jemand so viel Dachfläche und Geld für 50 Quadratmeter Kollektoren hat, dann baut er sich eher PV-Module aufs Dach und ist glücklicher." Auf diesen Einwand hin verweist Corradini darauf, dass die aktuelle - in alle Vergleiche eingerechnete - Förderung pro Kilowattstunde Endenergie für die Photovoltaik um den Faktor 5 höher sei als für die Solarthermie. Von Alexander Morhart

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