© Alpenverein/Andrea Fischer- Eishöhle
© Alpenverein/Andrea Fischer- Eishöhle

Schneearmer Winter und geringere Rückgänge als im Vorjahr

Der Gletscherbericht des Alpenvereins liefert Fakten zum vergangenen Gletscherjahr

90 Gletscher haben die Beobachter 2015/2016 für Messungen besucht. Der aktuelle Gletscherbericht des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) zeigt, dass der durchschnittliche Längenverlust der Gletscher im Berichtsjahr 2015/2016 mit 14,2 Metern deutlich unter dem Vorjahreswert und auch unter dem Mittel der vergangenen zehn Jahre liegt.

Insgesamt sind 87 der beobachteten 90 Gletscher (also 97 %) zurückgeschmolzen. Es gab nur einen geringfügig vorstoßenden Gletscher (das Landeckkees), zwei Gletscher (Winkelkees und Totenkopfkees) verhielten sich stationär. Dr. Andrea Fischer, ehrenamtliche Leiterin des Gletschermessdienstes im Alpenverein, dazu: "Wir befinden uns seit dem Hochstand der Gletscher in der Kleinen Eiszeit in einer Phase des Gletscherrückgangs, der sich im 21. Jahrhundert deutlich verstärkt hat."

Weniger Rückgang als im Jahr zuvor

Wenig Schnee und wärmere Temperaturen sind für gewöhnlich schlechte Vorboten, weil Eis rascher ausapert und schmilzt, je weniger Winterschnee am Gletscher liegt. Dass der Gletscherrückgang in diesem Jahr doch geringer ausfällt, ist dem Schneefall zur rechten Zeit zu verdanken. Nach dem niederschlagsarmen Winter 2015/2016 lieferte das Frühjahr eine schützende Schneeschicht, die die Gletscher vergleichsweise gut durch den Sommer brachte. Die schneefreie Zeit war kürzer und die absoluten Längenverluste letztlich geringer als in den Extremsommern 2003 und 2015.

Am meisten zurückgeschmolzen ist - wie schon im Jahr zuvor - das Hornkees in den Zillertaler Alpen (-65,0 m), allerdings deutlich weniger als im Vorjahr (-136,0). Insgesamt wurden an 13 Gletschern Rückgänge um mehr als 30 m gemessen. Diese Verluste sind aber deutlich geringer als im vorangegangenen Jahr, in dem an drei Gletschern sogar mehr als 100 m Rückgang gemessen wurde. Der Rückgang der Pasterze setzt sich in etwa der gleichen Geschwindigkeit wie in den Vorjahren fort.

"Zusammenfassend kann man sagen, dass das Eis an den Zungen der großen Gletscher Österreichs stark ausgedünnt ist. Weil die Fließgeschwindigkeiten niedrig sind, gibt es kaum Eisnachschub zu den Gletscherzungen", resümiert Fischer. Diese Faktoren sorgen zusammen mit den großen Abschmelzbeträgen an den Gletscherzungen für den weiterhin extremen Rückgang der Gletscher.

Wandel der Gletscher stellt Messnetz auf die Probe

Die derzeit großen Veränderungen an den Gletschern machen es auch schwieriger, ein verlässliches Messnetz aufrechtzuerhalten. Einige Gletscher sind in einzelne Teile zerfallen oder mittlerweile fast vollständig von Schutt bedeckt, wodurch die Zungenenden nicht mehr auszumachen sind. Dadurch ändert sich das Fließverhalten des Gletscherrestes, der bis zur vollständigen Ausaperung oft an Ort und Stelle liegen bleibt. Messungen an diesen Zungen büßen an Aussagekraft ein und müssen aus dem Programm genommen werden. Damit solche Zerfallserscheinungen nicht den Jahresmittelwert verzerren, muss die Anzahl der beobachteten Gletscher groß genug sein. Deshalb werden immer wieder neue Gletscher ins Programm aufgenommen, so wie im Jahr 2016 der Hauerferner.

Alpenvereinsdaten unterstützen die internationale Beurteilung des Klimawandels

Neben der regionalen Nutzung werden die Daten des Österreichischen Alpenvereins auch an internationale Institutionen wie das World Glacier Monitoring Service (WGMS) und das Global Terrestrial Network-Glaciers GTN-G (ein Monitoringnetzwerk unter der Schirmherrschaft der UNESCO und der Weltorganisation für Meteorologie WMO) übermittelt. Ebenso fließen sie in globale Klimaberichte ein und werden zur Beurteilung des Ausmaßes und der Auswirkungen des Klimawandels herangezogen. "Die sehr detaillierten Aufzeichnungen spiegeln den zeitlichen Verlauf des Gletscherrückgangs und seiner regionalen Variationen gut wider und reichen weit zurück. Sie sind daher für die Klimaforschung besonders wertvoll", unterstreicht Fischer die Relevanz der Alpenvereinsmessungen.

126 Jahre Gletschermessdienst des Alpenvereins

Seit mittlerweile 126 Jahren zeigen die vom Alpenverein durchgeführten Messungen eindrucksvoll die Veränderungen, die in mehr als einem Jahrhundert stattgefunden haben. Die Messreihe zählt zu den längsten und best dokumentierten weltweit und ermöglicht Rückschlüsse auf Klimaveränderungen. "Im Namen des Alpenvereins möchte ich besonders Andrea Fischer danken. Sie zeichnet gemeinsam mit unserem Gletscherteam seit 2010 für die genauen Ergebnisse und Analysen verantwortlich", so Dr. Ingrid Hayek, Vizepräsidentin des Österreichischen Alpenvereins.

Die ehrenamtlichen Gletschermesser begeben sich jeden Sommer in die Gletscherregionen, um Längenmessungen vorzunehmen und Fließgeschwindigkeit und Oberflächenhöhe zu erfassen. "Es ist uns ganz wichtig, diesen Beobachtern für ihren anstrengenden und nicht immer ganz einfachen Einsatz zu danken", würdigt Ingrid Hayek den Einsatz der "Gletscherknechte".

Zurzeit sind 20 ehrenamtliche "Gletscherknechte" und zahlreiche HelferInnen für den Gletscherbericht des Alpenvereins im Einsatz. Die ehrenamtliche Leiterin des Glestchermessdienstes, Dr. Andrea Fischer leitet hauptamtlich eine Arbeitsgruppe am Institut für interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Innsbruck.

Festschrift zum Jubiläum des Gletschermessdienstes

Die Gletscherforschung hatte schon in den Gründungsjahren des Alpenvereins einen hohen Stellenwert. Grund genug, um zum 125-jährigen Bestehen des Gletschermessdienstes 2016 spannende Einblicke in die wissenschaftlichen Forschungen des Alpenvereins im Bereich der Gletscherkunde und deren Bedeutung für die Klimawissenschaften zu bieten. In Form einer Festschrift werden diese Ende 2017 erscheinen.

Gletscherbericht 2015/2016 des Alpenvereins

Tabelle: 10 stärkste Rückgänge - Längenverluste in Metern

- Hornkees (Zillertaler Alpen) - 65,0
- Zettalunitzkees (Venedigergruppe) - 51,0
- Schlatenkees (Venedigergruppe) - 50,0
- Pasterze (Glocknergruppe) - 44,3
- Daunkogelferner (Stubaier Alpen) - 44,0
- Wasserfallwinkelkees (Glocknergruppe) - 39,4
- Schalfferner (Ötztaler Alpen) - 39,1
- Bachfallenferner (Stubaier Alpen) - 37,7
- Frosnitzkees (Venediger Gruppe) - 36,0
- Westliches Trippkees (Ankogel-Hochalmspitz-Gruppe) - 35,4

Durchschnittlicher Längenverlust aller gemessenen Gletscher: -14,2 Meter

Tabelle: Stärkste Rückgänge pro Gebirgsgruppe in Metern

- Zillertaler Alpen: Hornkees - 65,0
- Venedigergruppe: Zettalunitzkees - 51,0
- Glocknergruppe: Pasterze - 44,3
- Stubaier Alpen: Daunkogelferner - 44,0
- Ötztaler Alpen: Schalfferner - 39,1
- Ankogel-Hochalmspitzgruppe: Westliches Trippkees - 35,4
- Silvrettagruppe: Vermunt Gletscher - 20,6
- Dachstein: Hallstätter Gletscher - 18,5
- Goldberggruppe: Goldbergkees - 10,5
- Granatspitzgruppe: Sonnblickkees - 8,8



Die Ergebnisse im Detail sind nachzulesen im Alpenvereinsmagazin "Bergauf" 2-17 (erscheint am 07. April 2017).

Gesammelte Gletscherberichte und Informationen zum Gletschermessdienst: www.alpenverein.at/gletscher



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Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /