Max Peters (KEA): Wärmewende heißt 100 % Erneuerbare

Portraifoto: Dr. Max Peters, Leiter des Kompetenzzentrums Wärmewende in der KEAFoto: KEA
Dr. Max Peters, Leiter des Kompetenzzentrums Wärmewende in der KEA.
Der Geowissenschaftler Dr. Max Peters fungiert im Team des Kompetenzzentrums Wär­mewende, das bei der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg angesiedelt ist, seit dessen Start im vergangenen Jahr als Bereichsleiter. Das Kompetenzzentrum unterstützt u.a. Kommunen, um den Anteil erneuerbarer Energien im Wärmesektor zu erhöhen. Die Solarthemen sprachen mit ihm über Wege zur Klimaneutralität.

Solarthemen: Herr Peters, im vergangenen Jahr wurde in Baden-Württemberg das Kompetenzzentrum Wärmewende gegründet. Wie viele Kommunen oder andere Interessierte haben sich bei Ihnen schon gemeldet? 

Max Peters: Wir beobachten eine unglaubliche Nachfrage, weil die Wärmeplanung im Klimaschutzgesetz des Landes für die 103 größten Kommunen zur Pflichtaufgabe gemacht wurde. Und die Kommunen, die solche Ideen schon zuvor verfolgt und beispielsweise Energieleitpläne oder Klimaschutzkonzepte erstellt hatten, fühlten sich in ihren Vorhaben bestärkt. Sie integrieren diese Prozesse fest in ihre nachhaltige Stadtentwicklung. Und die, für die es ein neues Thema ist und die sich bislang noch nicht der Wärmeplanung zugewendet haben, müssen sich nun damit beschäftigen. Denn zumindest die Großen Kreisstädte und Stadtkreise haben nun aufgrund der Landesgesetzgebung die Verpflichtung, Wärmepläne zu erstellen. Sie stehen dadurch vor einem Veränderungsprozess. Denn für diese Kommunen ist Wärmeplanung nun Teil der Daseinsvorsorge. Viele erkennen, dass der Wärmeplan das strategische Instrument ist, um diesem großen und komplexen Ziel der Wärmewende eine echte Perspektive zu verleihen. Daher ist die Nachfrage immens. Wir führen täglich Beratungsgespräche mit Fachabteilungen und Stadtwerken.

Daraus entnehme ich, dass die auf Landesebene geschaffenen Grundlagen eine hohe Bedeutung für die Wärmewende haben?

Es gab zuvor auch schon Wärmekonzepte, die einem Wärmeplan in manchen Aspekten nahekamen. Das waren sogenannte Klimaschutzteilkonzepte mit integrierter Wärmeplanung oder Ähnliches. Die wurden vom Bund auch gefördert. Das haben aber nur etwa zwei Handvoll Kommunen gemacht, also nicht flächendeckend. Und diese Konzepte waren natürlich aufgrund der Förderung auch nicht so gestaltet, wie das jetzt mit dem finanziellen Ausgleich des Landes für die verpflichteten Kommunen bei der Wärmeplanung vorgesehen ist. Fortschritte in diesem Bereich sind also einerseits auf die Verpflichtung, aber andererseits auf die finanzielle Unterstützung durch das Land zurückzuführen.

Wärmeplan umsetzungsorientiert denken!

Was zeichnet denn aus Ihrer Sicht die Wärmewende aus? Wann kann man von einer Wärmewende sprechen?

Man kann ein hehres Ziel definieren, Klimaneutralität bis zu einem bestimmten Jahr zu erreichen, zum Beispiel bis 2050. Und das kann man noch unterbieten und etwa schon das Jahr 2035 nennen. Damit hat man aber noch keine einzige Tonne an Treibhausgasen eingespart. Kleine Teilerfolge mit weniger CO2-Emissionen kann man in Neubaugebieten erzielen, wenn die Kommunen dort ihre Handlungsspielräume ausnutzen. Aber aufgrund der großen Zahl an Bestandsbauten, die noch zu mehr als zwei Dritteln mit fossilen Energien geheizt werden, ist die Wärmewende zunächst nur eine Wunschvorstellung. Erst wenn sich eine Kommune einer konkreten Wärmeplanung zuwendet, bereitet sie die Wärmewende strategisch vor. Sie sollte diesen Wärmeplan aber von vornherein umsetzungsorientiert denken. Sonst kommt sie hier kaum einen Schritt weiter.

Potenziale zu 100 Prozent erschließen

Sie haben angesprochen, dass es schon seit einigen Jahren planerische Ansätze gibt, Treibhausgase im Gebäudebereich zu reduzieren. Nennen kann man hier zum Beispiel die auch von der KfW-Bank unterstützten Konzepte für eine energetische Quartierssanierung. Aber diese Konzepte führen meist nicht zur Klimaneutralität. Doch wie ist das tatsächlich zu erreichen?

Wenn sich eine Kommune, ein Stadtwerk und auch der Gemeinderat mit der Wärmeplanung beschäftigen, zeigen sie damit klar auf, dass wir bei der Wärmewende von einer Infrastrukturwende sprechen. Die Wärmeplanung zeigt, wo der Aus- und Neubau von Wärmenetzen sinnvoll ist. Sie gibt aber auch Antworten darauf, wo wir die einzelnen Heizungsanlagen tauschen müssen. Im ersten Schritt geht es in der Kommune darum, einen Überblick zu bekommen, über welche Potenziale im Bereich der erneuerbaren Energien sie tatsächlich verfügt. Und diese müssen zu 100 Prozent erschlossen werden. Die erste Stellschraube ist die Reduktion des Wärmebedarfs. Das kennen wir als „Efficiency First“. Wir brauchen die Verringerung des Bedarfs aber nicht auf Teufel komm raus, sondern wir müssen uns überlegen, wie wir den großen Gebäudebestand, aber auch die Erzeugung sinnvoll transformiert bekommen. Ziel bis 2050 sollte sein, jede Sanierung so zu konzipieren, dass am Ende die Gebäude den Effizienzhausstandard 55 der KfW erreichen.

Gesamte Bandbreite der Erneuerbaren nutzen

100 Prozent Erneuerbare – was heißt das konkret? Setzen wir auf Sektorenkopplung, führen flächendeckend Wärmepumpen ein und hoffen auf den starken Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich? Reicht das?

Um genau zu sein, geht es um die Nutzung der gesamten Bandbreite der erneuerbaren Energien in Kombination mit der Abwärmenutzung und der Kraft-Wärme-Kopplung. Konkret kann die Aufgabe aber nur kommunal gelöst werden. Die Verantwortlichen vor Ort müssen diese Frage beantworten. Ob man den Gebäudebestand in der Wärmeversorgung elektrifizieren muss, wird man dann lokal sehen. Es wird natürlich Wärmepumpenquartiere geben. Und wer sich in der Kommune mit der Transformation oder einer nachhaltigen Stadtentwicklung befasst, muss natürlich erneuerbaren Strom mitplanen. Es geht dabei auch nicht um Autarkie in einer Kommune, sondern darum, die erneuerbaren Potenziale zu 100 Prozent auszuschöpfen.

Sektorenkopplung

Welchen Stellenwert geben Sie einzelnen Technologien, wie der Wärmepumpe, der Biomasse oder auch Power-to-Gas, das wohl von einigen Gasversorgern als Option gesehen wird, um bei ihrer Infrastruktur bleiben zu können?

Wärmeplanung ist immer technologieoffen. Wie Technologien zu bewerten sind, wird landesweit in einem Technik-Katalog vorgeben. Er bildet eine einheitliche Planungsgrundlage. Dabei wird für einige Kommunen die Tiefengeothermie ein Basisbaustein bei der Wärmewende sein. Ein wichtiger Baustein werden auch Großwärmepumpen sein. Letztlich brauchen wir aber für ein Energiesystem der Zukunft die Wärmenetze. BHKWs werden künftig nicht mehr wärme-, sondern strommarktgeführt sein. Also brauchen wir Wärmespeicher. Die können auch genutzt werden, um überschüssigen Strom sehr günstig zu speichern. Diesen systemdienlichen Ansatz wollen wir nutzen. Dabei spielt die Sektorenkopplung eine ganz zentrale Rolle. Aber auch Biomasse wird ein Faktor sein, wobei die nutzbaren Potenziale bekannterweise begrenzt sind.

Kommen wir zu den Gasnetzen. Ein Wärmeplan wird auch immer eine Antwort geben müssen, wie die verschiedenen Gasnetze in einer Kommune zu entwickeln sind. Allerdings ist aus den verschiedenen Wasserstoffstrategien, auch der des Landes, herauszulesen, dass synthetisch aus erneuerbaren Energien gewonnenes Gas sehr wertvoll ist. Das brauchen wir vor allem in anderen Sektoren, die deutlich schwieriger zu dekarbonisieren sind. Unterm Strich ist in meinen Augen die Behauptung eher irreführend, dass wir künftig in Einzelheizungen synthetisches, erneuerbares Gas einsetzen könnten, um so zur Klimaneutralität zu kommen. Den Einsatz sehe ich eher in Spitzenlast-Kraftwerken oder zentralen KWK-Anlagen.

Kommunen müssen strategisch planen!

Wo können Kommunen ansetzen?

Die Kommunen sollten wissen, dass sie nicht auf künftige Technologien, wie etwa Wasserstoff im großen Stil, warten müssen. Heute sind schon alle Versorgungstechnologien verfügbar, um dekarbonisierte Wärme bereitzustellen. Dabei muss die Kommune nicht über jede Technologie Bescheid wissen. Dafür gibt es Ingenieurinnen und Ingenieure. Doch die Kommune muss den Prozess strategisch planen. Es ist ihre Aufgabe als Teil der Daseinsvorsorge, die Transformation zu gestalten.

Wie wichtig ist dabei ein Kompetenzzentrum Wärmewende auf Landesebene? Wie können Sie die Kommunen unterstützen.

Wärmeplanung ist eine neue Aufgabe für die Kommunen. Der Handlungsleitfaden Kommunale Wärmeplanung des Umweltministeriums sowie landesweite Netzwerke zum Erfahrungsaustausch bieten Unterstützung. Es gilt jetzt, Methodiken und Abläufe zu standardisieren und eine gute Planungspraxis im Land zu etablieren. Darum muss sich eine fachliche, fundierte Institution mit einer neutralen Perspektive kümmern. Das ist in Baden-Württemberg die Klimaschutzund Energieagentur Baden-Württemberg. Die KEA-BW dient als Bindeglied zwischen den kommunalen Erfahrungen und entwickelt im direkten Austausch auch mit Ministerien die Prozesse, Verfahren und die Umsetzungsschritte des Wärmeplanungsprozesses weiter.

26.4.2021 | Interview: Andreas Witt | Solarserver
© Solarthemen Media GmbH

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