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ÖKOBÜRO: NÖ Landtag verschärft Aarhus-Rechtsunsicherheit im Naturschutz

Anlassgesetzgebung verfehlt Wirkung. VwGH sieht Anfechtbarkeit alter Umweltbescheide durch übergangene Parteien bis 2009 zurück. Alle Bundesländer und Bund müssen Gesetze sanieren.

Wien Einen vergeblichen Versuch unternahm diese Woche der NÖ Landtag per Anlassgesetzgebung den Verwaltungsgerichthof (VwGH) zu umgehen. Das Höchstgericht hatte kürzlich in mehreren Fällen der niederösterreichischen Umweltschutzorganisation LANIUS recht gegeben. LANIUS hatte nachträglich Bescheide nach NÖ Naturschutzgesetz angefochten, die vor dem Jahr 2018 erlassen wurden. Der VwGH bezog sich dabei auf eine Übergangsbestimmung im Gesetz, die der Landtag jetzt streichen wird.

Thomas Alge, Geschäftsführer von ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung, zweifelt jedoch an der Wirksamkeit dieser Streichung: „Der Landtag übersieht eine frühere VwGH-Entscheidung, dass laut Europarecht Umweltschutzorganisationen bis zum Jahr 2009 zurück alte Umweltbescheide anfechten können.“

Der NÖ Landtag kann daher nur Rechtssicherheit herstellen, wenn er im Naturschutzgesetz festschreibt, dass rückwirkend alle Bescheide zwischen 2009 und 2019 durch Umweltschutzorganisationen anfechtbar sind. Dasselbe gilt für die vergleichbaren Regelungen in allen anderen Bundesländern sowie auf Bundesebene, die überall nur zwischen ein und drei Jahren Rückwirkung vorsehen. Auch hier sind die Gesetzgeber angehalten, diese Bestimmungen zu sanieren und an das Europarecht anzupassen.

Hintergrund:

Die 2003 in Kraft getretene Aarhus Konvention räumt der Öffentlichkeit Zugang zu Gerichten ein, um Umweltbescheide anzufechten. Der Europäische Gerichtshof urteilte 2017, dass auf dieser Grundlage diese Möglichkeit auch Umweltschutzorganisationen zusteht. In Österreich haben Bund und Länder dies aber nur in sehr begrenztem Umfang in die Umweltgesetze einfließen lassen. Unter anderem wurde die rückwirkende Anfechtbarkeit alter Umweltbescheide auf ein bis drei Jahre beschränkt.

Dem widersprach der VwGH nach einer Klage von WWF und ÖKOBÜRO gegen das Aarhus-Beteiligungsgesetz im Jahr 2019: Alte Umweltbescheide müssen für Umweltschutzorganisationen als rechtswidrig übergangene Parteien bis zum Inkrafttreten der Europäischen Grundrechtecharta 2009 zurück anfechtbar sein. Diese Grundsatzentscheidung gilt auch für bestimmte Genehmigungen nach dem NÖ Naturschutzgesetz, mit denen etwa Eingriffe in Europaschutzgebiete bewilligt werden. In Niederösterreich dürfen Umweltschutzorganisationen erst seit einer Novelle im Jahr 2019 Naturschutzbescheide gerichtlich bekämpfen.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /