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Depositphotos.com | Bihlmayerfotografie | Bundestagswahl

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Der Streit um eine gerechte CO2-Bepreisung

Energiegeld, Abschaffung der EEG-Umlage, Senkung der Stromsteuer – die großen Parteien wollen vor der Bundestagswahl zeigen, dass sie eine gerechte CO2-Bepreisung im Blick haben. Doch welches Konzept sorgt wirklich für sozialen Klimaschutz?

Auch beim Triell am vergangenen Sonntag zwischen Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet war es Thema: Wie lässt sich eine Belastung der Bürgerinnen und Bürger durch die Bepreisung von Kohlendioxidemissionen vermeiden oder zumindest abmildern? Anfang des Jahres führte die Bundesregierung einen CO2-Preis für Verkehr und Wärme ein. Der Einstiegspreis beträgt 25 Euro pro Tonne und soll jährlich ansteigen, bis er 2025 bei 55 Euro liegt. Der Preiskorridor ab 2026 soll dann zwischen 55 bis 65 Euro für ein Emissionszertifikat liegen. So sieht es zumindest der Plan der aktuellen Bundesregierung aus CDU und SPD vor.

Zugleich gibt es auf europäischer Ebene seit 2005 den Europäischen Emissionshandel (ETS), der über CO2-Zertifikate einen Preis für den Kohlendioxidausstoß im Energiesektor und der Industrie erhebt. Aufgrund zu vieler Zertifikate auf dem Markt dümpelte der Preis pro Tonne CO2 im ETS lange vor sich hin, doch Reformen und die Anhebung der EU-Klimaziele sorgen inzwischen für einen deutlichen Preisanstieg. CO2-Preis und Emissionshandel sorgen dafür, dass Auto fahren, heizen und Strom für die Bürger in Deutschland teurer werden. Bis auf die AfD, die ohnehin jegliche Dekarbonisierungsmaßnahmen ablehnt, setzen sich alle im Bundestag vertretenen Parteien für eine Entlastung der Bürger ein.

Die Grünen: Energiegeld einführen

Annalena Baerbock bekräftigte beim ersten Triell die Forderung von Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung eines sogenannten Energiegeldes sowie Senkung der EEG-Umlage, bei gleichzeitiger Erhöhung des CO2-Preises für Verkehr und Wärme. Der soll nach Willen der Grünen im Jahr 2023 bereits 60 Euro betragen und dann entsprechend der Erfüllung der EU-Klimaziele bis 2030 ansteigen. Das Energiegeld soll pro Kopf ausgezahlt werden. Laut Baerbock könne der Betrag anfangs bei 75 Euro pro Jahr liegen und in den nächsten Jahren gemessen am CO2-Preis ansteigen. Wer wenig fossile Energie verbraucht, habe am Ende des Jahres ein Plus, wer viel verbraucht ein Minus, so die Grünen in ihrem Wahlprogramm.

Dies sei sozial gerecht, da Menschen mit höherem Einkommen im Durchschnitt einen größeren CO2-Fußabdruck haben. Zugleich werde klimafreundliches Verhalten belohnt. Dies bestätigt auch die Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und verweist dazu auf eine Studie ihres Instituts. Zur Auszahlungsweise verwies Barbock beim Triell auf die Schweiz und Kanada. In der Schweiz wird die dortige CO2-Abgabe über die Krankenkasse zurückgezahlt, In Kanada ist die Steueridentifikation Grundlage für die Rückzahlungen.

Laut Baerbock wäre eine Rückerstattung über die Krankenversicherung in Deutschland nicht möglich, da anders als in der Schweiz, nicht alle Menschen gesetzlich krankenversichert seien. Über die Steueridentifikationsnummer hingegen, die jeder in Deutschland hat, wäre dies möglich, so Baerbock. Für Armin Laschet jedoch ist dieser Weg nicht zielführend. Er sagte beim Triell, dass man an eine Steueridentifikationsnummer nichts überweisen könne. „Es ist ein komplexer Prozess“, so Laschet.

Die Studie des DIW zeigt auf, dass eine Rückerstattung über die Steueridentifikation tatsächlich ein komplexer Prozess sei. Es bedürfe eines hohen zusätzlichen Personalbedarfs, die Verwaltungskosten würden erheblich steigen und es sei ein mehrjähriger zeitlicher Vorlauf erforderlich. Grundsätzlich sei dieses Auszahlungsmodell jedoch machbar. Laut DIW wäre dies aber auch über die Krankenversicherung der Fall. Bei der Gesetzlichen könnte eine Reduzierung der Zahllast des Arbeitgebers erfolgen, bei privat Versicherten würde sich der zu zahlende Beitrag verringern. Die Experten des DIW veranschlagen für dieses Modell eine zeitliche Vorbereitung von gerade mal einem Jahr.

CDU, SPD und FDP: EEG-Umlage abschaffen

Die SPD will laut Wahlprogramm einen Pro-Kopf-Bonus bei einem weiter ansteigenden CO2-Preis zumindest prüfen. Als Mittel zur Entlastung der Bürger setzt sich die Partei klar für eine Abschaffung der EEG-Umlage bis 2025 ein. Dies bekräftigte auch Olaf Scholz beim Triell, der zugleich für einen „moderaten“ Anstieg des CO2-Preises für Verkehr und Wärme warb.

Zugleich kritisierte er die CDU dafür, dass diese sich in Verhandlungen innerhalb der Großen Koalition gegen eine Belastung von Vermietern beim CO2-Preis für Wärme gestellt habe. Noch müssen Mieter die steigenden Kosten für Öl und Gas komplett allein tragen. Mit dieser Kritik schloss er sich Annalena Baerbock an. SPD wie Grüne wünschen sich eine vollständige Belastung der Vermieter, um Modernisierungsanreize zu setzen.   

Bei der EEG-Umlage wiederum sind SPD und CDU auf eine Linie und wollen diese gänzlich abschaffen – genau wie die FDP. Diese sei ein „bürokratisches Monstrum“, so Laschet. Darüber hinaus setzen sich CDU und FDP für eine Senkung der Stromsteuer ein, welche die FDP am liebsten komplett streichen will. Auch eine sogenannte Klimadividende, ein jährlich zu berechnender Pauschalbetrag an jede Bürgerin und jeden Bürger, findet sich im Wahlprogramm der Liberalen.

Claudia Kemfert sieht eine schnelle Abschaffung der EEG-Umlage jedoch kritisch. Bei einer Förderung Erneuerbarer Energien aus dem Bundeshaushalt bestehe die Gefahr, dass diese erheblichen Schwankungen unterliegen und „zum Spielball politischer Interessen“ werden können. Mit einem steigenden CO2-Preis im EU-Emissionshandel sowie abnehmenden Kosten für Erneuerbare Energien würde die EEG-Umlage ohnehin sinken.

Auch einen „moderaten“ Anstieg des CO2-Preises für Verkehr und Wärme sieht Kemfert kritisch. „Der CO2 Preis muss viel schneller steigen als bisher vereinbart“, so Kemfert. Allein im Verkehrssektor sei ein CO2-Preis von 150 Euro pro Tonne Kohlendioxid nötig, um die notwendigen Emissionsminderungen erreichen zu können.

Die Linke: Systemwechsel vollziehen

Die Linkspartei verfolgt indes einen „sozialökologischen Systemwechsel“. Energiekonzerne müssten entmachtet und die Energiewende in Bürgerhand, in öffentliches oder genossenschaftliches Eigentum überführt werden. Statt einem Emissionshandel sollten Konzernen verbindliche Klimaziele und Emissionsgrenzen gesetzt werden. Der klima- und energiepolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, erklärte zudem die deutsche CO2-Bepreisung für Wärme Anfang des Jahres für eine „neue Gerechtigkeitslücke der Energiewende“.

Im bestehenden System müssten zumindest die Kosten voll von Vermietern und der Immobilienwirtschaft getragen werden, so Beutin. In einem Aktionsplan für Klimagerechtigkeit fordert die Fraktion der Linken im Bundestag außerdem eine Abschaffung der Stromsteuer und Minderung der EEG-Umlage. Dadurch könne der Strompreis gesenkt und die Energiewende sozialer gestaltet werden. Als Ergänzung für einen zu beschleunigenden ordnungsrechtlichen Kohleausstieg würden für die Fraktion der Linken auch CO2-Mindestpreise für Kraftwerke und Industrie Sinn machen.

Mit Blick auf die anderen Parteien und mögliche Regierungskonstellationen erscheint ein „Systemwechsel“ indes unrealistisch. Ob und wie die Parteien nach der Bundestagswahl in Koalitionsgesprächen beim Thema gerechter CO2-Bepreisung zusammenfinden, wird eine ebenso spannende wie wichtige Debatte sein.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (Manuel Först) 2021 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft | Heft 30 / 2021 | „Power for Future – Die Zukunft der Energieerzeugung“ |  Jetzt lesen | Download

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