Forschung: Erneuerbare Energien können Extremwetter

Zu sehen sind Photovoltaik-Module und Windenergieanlagen, die auch bei Extremwetter genug erneuerbare Energien für die Stromversorgung liefern können, wenn mehr Flexibilität etwa durch Speicher im Netzt realisiert wird.Foto: vencav / stock.adobe.com
Forscherinnen der Universität Köln haben untersucht, ob die erneuerbaren Energien auch bei Extremwetter ausreichen, um den steigenden Strombedarf in Zukunft decken zu können. Mehr Stromimporte aus den Nachbarländern sind dafür ebenso nötig wie mehr Flexibilität etwa durch Gaskraftwerke und Speicher.

In einem klimaneutralen Energiesystem, in dem Öl- und Gasheizungen unter anderem durch Wärmepumpen ersetzt sind, benötigt man deutlich mehr Strom, gerade bei niedrigen Temperaturen. Gleichzeitig hängt die Stromerzeugung zunehmend vom Wetter ab. Denn ein deutlich höherer Anteil des Stroms stammt aus erneuerbaren Energien. Forscherinnen der Universität Köln haben im Rahmen einer aktuellen Studie aufgezeigt, wie man in einem solchen klimaneutralen Energiesystem die Versorgungssicherheit dennoch gewährleisteen kann – auch in Extremwettersituationen. Mithilfe von Wetter- und Kraftwerkseinsatzmodellen untersuchten die beiden Doktorandinnen Linh Ho und Berit Hanna Czock sowie Juniorprofessorin Stephanie Fiedler die Zuverlässigkeit der Stromversorgung durch erneuerbare Energien in Perioden von Extremwetter.

Die Ergebnisse sind im Gutachterbericht „Klimaneutralität 2045 – Transformation der Verbrauchssektoren und des Energiesystems“ im Rahmen der „dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität“ veröffentlicht, den das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) Anfang Oktober vorgestellt hat. Die Studie beschreibt ein Szenario für die Transformation des deutschen Energiesystems hin zu Klimaneutralität im Jahr 2045. Demnach sinkt zwar der Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2045 um etwa 41 Prozent gegenüber dem Jahr 2018. Endenergie ist die Energie, die aus Primärenergieträgern wie zum Beispiel Braunkohlen, Steinkohlen, Erdöl, Erdgas, Wasser oder Wind durch Umwandlung gewonnen wird. Die Bruttostromnachfrage steigt jedoch von heute um 580 Terawattstunden (TWh) deutlich auf 910 TWh. Dies liegt daran, dass Verkehr, Gebäude und Industrie zunehmend elektrifiziert werden und auch zur Herstellung von Wasserstoff Strom benötigt wird. Insbesondere die neun Millionen elektrischen Wärmepumpen im Jahr 2045 treiben im Szenario gleichzeitige Nachfragespitzen, die durch die verfügbaren Kraftwerke gedeckt werden müssen.

Dunkelflaute ist kritisches Extremwetter für erneuerbare Energien

Zugleich geht die konventionelle Stromerzeugung aus Kernkraft und Kohle zurück, während die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie langfristig weiter an Bedeutung gewinnt und im Jahr 2045 85 Prozent der Bruttostromnachfrage deckt. Weil der Wind aber nicht immer weht und die Sonne nicht immer scheint, spielen sogenannte Flexibilitäten eine wichtige Rolle.

Im Idealfall fangen sie Nachfragespitzen der Verbraucher:innen und Einspeisespitzen von erneuerbaren Energien ab und stabilisieren so das Energiesystem. Im Rahmen eines Exkurses in der „dena-Leitstudie“ haben die Kölner Forscherinnen Extremwettersituationen betrachtet, bei denen es in ganz Europa besonders kalt und in Deutschland zudem mehrere Tage lang windstill war. „Kritisch für die Stromversorgung sind vor allem so genannte kalte Dunkelflauten“, sagt Stephanie Fiedler, die neben ihrer Tätigkeit im Institut für Geophysik und Meteorologie auch Chief Energy Meteorologist am EWI ist. „Das sind Situationen mit niedrigen Temperaturen und daraus resultierender hoher Stromnachfrage bei gleichzeitig geringer Sonneneinstrahlung und geringen Windgeschwindigkeiten, die wiederum zu einer geringeren Erzeugung erneuerbarer Energien führen.“

Mehr Stromleitungen in Nachbarländer

Mithilfe einer Modellierung von Kraftwerkseinsatz und Stromhandel zeigen die Wissenschaftlerinnen, dass man im Klimaneutralitäts-Szenario auch in zwei exemplarisch ausgewählten „kalten Dunkelflauten“ der historischen Wetterjahre 1997 und 2007 die gesamte Stromnachfrage knapp deckten kann, unter anderem durch Stromimporte aus dem europäischen Ausland. Denn in den betrachteten Extremwettersitationen sind die europäischen Nachbarn weniger vom Extremwetter betroffen und können erneuerbare Energien nach Deutschland exportieren. Zum Beispiel aus Nordeuropa, Frankreich und der Schweiz. Dazu muss man jedoch die Stromleitungen zwischen Deutschland und seinen Nachbarländern (Interkonnektoren) deutlich ausbauten.

Auf deutscher Seite kann man vor allem flexible Gaskraftwerke – die man mittelfristig mit klimaneutralem Wasserstoff betreiben kann – sowie flexibel einsetzbare Großbatterien und Pumpspeicher einsetzen. Auch die Nachfrageseite könnte durch ihre Flexibilität zu einer Vermeidung von Versorgungslücken beitragen, zum Beispiel indem man flexible Industrieprozesse kurzfristig herunterregelt. Auch private Haushalte könnten ihre Wärmespeicher und die Batterien ihrer E-Fahrzeuge zur Überbrückung besonders kritischer Stunden einsetzen. Solche Flexibilitätsoptionen sind technisch bereits möglich. Bevor Haushalte und andere Verbraucher zu Flexibilitätsanbietern werden, muss man jedoch entsprechende Anreize, beispielsweise durch eine Vergütung der Flexibilität, und die technischen Schnittstellen schaffen.

Die „dena-Leitstudie Aufbruch Klimaneutralität“ ist unter diesem Link zu finden.

8.11.2021 | Quelle: Universität zu Köln | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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