Tillmann von Schroeter, Vaillant, im Interview: CO2 müsste teurer werden

Portraitfoto von Tillman von Schroeter, Geschäftsführer von VaillantFoto: Vaillant
Dr. Tillmann von Schoeter, Geschäftsführer von Vaillant Deutschland
Dr. Tillmann von Schroeter ist seit 2015 Geschäftsführer von Vaillant Deutschland. Seit 2006 arbeitet er bei dem Heizungsbauunternehmen in führenden Positionen. Zunächst lag sein Schwerpunkten auf Marketing und Vertrieb. Im Solarthemen-Interview spricht von Schroeter über aktuelle Nachfragetrends, Versorgungsengpässe und die in seinen Augen sinnvollsten Instrumente der Klimapolitik.

Solarthemen: Im Wärmesektor hat die Nachfrage kräftig angezogen, zugleich hört man von Lieferengässen, hohen Materialpreisen, Handwerkermangel. Wie erleben Sie bei Vaillant die Situation?

Tillmann von Schroeter: Seit der Vor-Corona-Zeit hat die Branche – insbesondere das Handwerk – gezeigt, dass sie bei Installationen 30 Prozent draufsatteln kann. Und dies vor allem im Sanierungsgeschäft. Das Handwerk hat bewiesen, wie adaptiv es ist. Momentan liegt eine große Herausforderung bei der Industrie, genügend Produkte bereitzustellen. Die globalen Märkte sind angespannt, besonders bei Speicherchips. Nach einer kurzen Investitionsunsicherheit am Anfang der Pandemie erleben wir ein starkes Anziehen der Nachfrage. Die ist zum Teil auch durch die hohen Staatsausgaben forciert. Das führt zu Lieferengpässen, zumal die globale Lieferkette nicht reibungslos funktioniert. Deshalb fokussieren wir bei Vaillant sehr viele Ressourcen darauf, diese Lieferkette stabil zu halten und dort, wo es ruckelt, im Dialog mit unseren Kunden zu stehen.

Wo ruckelt es am stärksten?

Wir spüren es bei der Verfügbarkeit von Komponenten, insbesondere solchen, die Speicherchips enthalten. Es gibt auch Herausforderungen bei gewissen Metallen, beispielsweise Aluminium. Unsere große Einkaufsabteilung organisiert seit eineinhalb Jahren diesen Ausnah­me­zustand. Das hat in den letzten 18 Monaten erfolgreich geklappt. Aber die Probleme werden aktuell nicht kleiner, sondern größer.

Wartezeiten auch bei Vaillant

Bisher hatten Sie bei Vaillant keine extremen Wartezeiten für Ihre Handwerkspartner?

Wir haben Wartezeiten. Bei Wärmepumpen können wir nicht alle Modelle sofort liefern. Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen. Aber wir sind nicht überproportional betroffen.

Der Gas-Brennwertkessel scheint langsam seinen Status als Standardprodukt an Wärmepumpen abzugeben. Was sagen die Verkaufszahlen?

Der Gas-Brennwertkessel war die eierlegende Wollmilchsau. Insbesondere in der Sanierung war er auch eine ökonomische Lösung, weil eine Sanierung mit anderen Systemen bei sehr hohen Stromkosten nicht so wirtschaftlich war. Durch die Förderung seit Anfang 2020 hat sich das verändert. In den Jahren vor 2020 haben wir weniger als 10.000 Wärmepumpen in der Sanierung gesehen; 2021 werden es wahrscheinlich 80.000 sein. Dieser Markt hat sich enorm entwickelt. Fossilkessel durch Wärmepumpen zu ersetzen, ist der große Trend der Branche. Hinzu kommt als Wachstumsmotor der Ersatz von Öl- durch Pelletsheizungen und ein erhöhter Austausch insgesamt. In Sum­me führt das zur Steigerung der Absätze auf dem deutschen Markt von etwa 30 Prozent.

Sind wir in Deutschland beim Übergang von der fossilen zur erneuerbaren Heizung tatsächlich international die Vorreiter, die wir gern wären?

Wir sind nicht auf Nummer eins. Weiter sind Länder wie Norwegen, das ein Ende für die Ölheizung erklärt hat, oder die Schweiz, die schon länger mit hohen CO2-Preisen arbeitet. Durch die Beschleunigung der Austauschraten in Richtung der erneuerbaren Energien mithilfe der attraktiven Förderung haben wir jetzt aber eine sehr gute Dynamik entwickelt. Beispielsweise Polen und Frankreich haben noch wirksamere Maßnahmen eingeführt. Und auch die aktuellen Rahmenbedingungen der EU setzen einen enormen Hebel für die Transformation an. Hier sind wir als Volkswirtschaft gefordert, mutig zu bleiben und den Fuß so stark auf dem Gas zu halten wie jetzt. Das ist notwendig, um die 2030-Klimaziele zu erreichen. Wir müssen auf deutlich höhere Sanierungsraten mit klimafreundlichen Heizsystemen kommen.

Ordnungsrecht und Förderung

Was ist die entscheidende Baustelle der künftigen Bundesregierung – Ordnungsrecht oder Förderung?

Tunlichst zu vermeiden ist jedenfalls zu warten, anstatt in eine Neuorientierung zu gehen. Denn wir haben schon viel Zeit verloren. Für den Riesenschritt, den wir bis 2030 machen müssen, haben wir nur noch 8 Jahre. Wir müssen den Umbau im Gebäudesektor massiv beschleunigen. In diesem Jahr werden wir wahrscheinlich auf 950.000 neue Heizsysteme kommen. Wir müssen als Branche auf 1,4 Millionen Systeme pro Jahr kommen. Das müssen wir in einer Weise effizient gestalten, dass es für die Verarbeiter leistbar ist. Die ersten 30 Prozent draufzulegen war für Handwerk noch relativ leicht. Bei den nächsten 40 Prozent, die das Handwerk mit den gleichen Ressourchen leisten muss, sind jetzt aber auch wir als Industrie stärker gefragt. Wir müssen es systematisch vereinfachen, um die Installationszeiten zu reduzieren.

Nochmal: Eher Ordnungsrecht oder eher Förderpolitik?

Es wird eine Mischung aus beidem sein. Wenn der Staat, also das Kollektiv, 50 Prozent für den Austausch einer Heizung zahlt, dann ist das schon sehr viel. Wir werden uns stärker über die Verteuerung von Energie unterhalten müssen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Deshalb muss es ein Mix sein, in dem die Erhöhung der CO2-Preise eine wesentliche Rolle spielt. Und diese Erhöhung müssen wir sozial abfedern, so dass ein warmes Zuhause leistbar bleibt.
Unser bisheriger Weg ging über Förderung. Zum Teil auch über Regulierung. Wenn der Fokus darauf liegt, effektiv zu handeln, wäre neben Förderung eine CO2-Be­preisung ein Mittel der Wahl. Auch die derzeit stark steigenden Gas- und Ölpreise wer­den die Wirtschaftlichkeit der Heizungserneu­erung befeuern, ohne dass der Staat dafür etwas tun muss. Ein Rückblick zu den Ölkrisen der 70er Jahre zeigt, dass Preissteigerungen wirken.

Wunschzettel an die Politik

Steht das ganz oben auf ihrem Weihnachts-Wunschzettel an die Politik?

Wir müssen mit den Maßnahmen an des Pudels Kern ran und das ist die Emission von CO2. Wir müssen uns darauf fokussieren, was CO2-Emissionen einspart. Persönlich glaube ich, dass kein Weg daran vorbei geht, das Emittieren von CO2 teurer zu machen – kombiniert mit Förderung und einer sozialen Abfederung.

Mit Eigenerzeugung, Sektorenkopplung und Smart Home werden Beratungsaufwand und Verkaufsvorgang für Handwerker immer komplexer. Der klassische Zugang von Vaillant zum Kunden führt aber über den Handwerker. Wird der nicht zunehmend zum Flaschenhals?

Die Komplexität für das Handwerk hat sich tatsächlich enorm erhöht. Und damit müssen wir immer mehr Unterstützung leisten. Im Wärmebereich die Förderkulisse zu bedienen oder die Systeme gut auszulegen, haben wir als Dienstleistung für das Handwerk stark ausgebaut.
Der Handwerker ist zwar unser wichtigstes Kundensegment, aber im Neubau arbeiten wir eng mit Fertighausherstellern und Bauträgern zusammen. Für diese Zielgruppen braucht man Lösungen, bevor überhaupt ein Handwerker ins Spiel kommt. Ich denke angesichts dieser Herausforderungen immer stärker über ein Wertschöpfungsnetzwerk nach: Wer kann was am besten in den Topf werfen, damit für den Endkunden etwas Sinnvolles herauskommt. Unsere Stärke im PV-Bereich liegt zum Beispiel nicht darin, PV-Module oder Wechselrichter zu entwickeln. Wir können aber für unseren Kunden dafür sorgen, dass die PV-Anlage mit der Wärmepumpe oder der Warmwasserbereitung gut läuft. Wir können für unsere Zielgruppen ein Dienst­leistungs-
portfolio drum­herum bauen, einschließlich Installationsunterstützung, damit unsere Partner gegenüber ihren Kunden gut aufgestellt sind.

Wettbewerb unter Heizungsbauern

Dabei sind die Claims zwischen den großen Heizungsbauunternehmen in Deutschland stabil aufgeteilt, oder?

Da muss ich schmunzeln. Ich glaube, die große Stärke der deutschen Heizungsbauunternehmen ist, dass wir uns starke Gefechte liefern. Es hilft Vaillant, dass wir mit anderen Branchengrößen richtig gute Wettbewerber haben, die ebenfalls hier ihren Heimatmarkt haben. Wir sind hier in Deutschland Innovatoren für Technologie, für Geschäftsmodelle und für Kundenbindungskonzepte. Es ist sicherlich ein Stellungskampf bei althergebrachten Technologien, wo um jeden Millimeter gekämpft wird. Aber dort, wo sich neue Segmente auftun, ist es ein Kampf um Geschwindigkeit: Wer besetzt als erster dieses Feld. Dort ist der Markt alles andere als zementiert. Heute geht es zum Beispiel darum, wie schnell man überzeugende Lösungen für Wärmepumpen in der Sanierung anbietet. Und der nächste Wettstreit für umrüstbare Systeme für Wasserstoff ist schon erkennbar.

22.11.2021 | Interview: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Beliebte Artikel

Schließen