Mikro-Bohrer soll Fündigkeitsrisiko für Geothermie senken

Grafik der Mikro-Bohrturbine, die das Fündigkeitsrisiko ind er Geothermie senken soll.Grafik: Fraunhofer IEG
Die mit einem Diamant-Bohrmeißel bestückte Mikro-Bohrturbine ist nur 10 Zentimeter lang und hat einen Durchmesser von 3,6 Zentimeter. Beim Bohren rotiert sie mit bis zu 80 000 Umdrehungen pro Minute.
Geothermie wird als grundlastfähige Strom- und Wärmequelle interessanter. Doch der Untergrund ist nicht komplett berechenbar. Ein neuer Mini-Bohrer soll das Risiko reduzieren, dass die millionenteuren Bohrungen fehlschlagen.

Laut einer Pressemitteilung der Bochumer Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG könnte sich auch die Zahl der Geothermie-Kraftwerke in Europa in den nächsten fünf bis acht Jahren verdoppeln. Doch das sogenannte Fündigkeitsrisiko ist nach wie vor ein wesentlicher Bremsklotz für die Geothermie. Bei etwa 30 Prozent der millionenteuren Bohrungen werde man nicht fündig, heißt es in einer Pressemitteilung der Fraunhofer IEG. In Bochum forscht ein Team daher an Mini-Bohrern, die das Fündigkeitsrisiko senken sollen.

Der Mini-Bohrer perforiert das Umfeld der Bohrung in einem Umkreis von etwa 50 Metern. Dabei stößt er in benachbarte Risse und Klüfte vor. Diese erschließt er so für die Heißwassergewinnung. Das Wasser fließt von dort in die Förderbohrung. Von dort wird es nach oben gepumpt.

Micro Turbine Drilling (MTD) heißt diese neue Technologie. Entwickelt hat sie Niklas Geißler, der am Fraunhofer IEG in Bochum und am Fraunhofer-Chalmers Research Center for Industrial Mathematics FCC in Schweden forscht. „Bohrungen, die mehrere Kilometer in die Erdkruste vordringen, kosten mehrere Millionen Euro. Die mit dem MTD herstellbaren Zweigbohrungen vergrößern das Einzugsgebiet für das Heißwasser, und das Fündigkeitsrisiko sinkt deutlich“, erklärt Geißler.

Geothermie-Reservoirs meistens in sehr hartem Gestein

Herzstück von Micro Turbine Drilling (MTD) ist eine kompakte Mikro-Bohrturbine. Sie misst gerade einmal 3,6 Zentimeter im Durchmesser und 10 Zentimeter in der Länge. Die Mikro-Bohrturbine ist an einem hochdrucktauglichen Schlauch befestigt. Bis zu 200 Liter Wasser pro Minute bei etwa 100 bar Eingangsdruck lassen den Meißel bis zu 80.000 Mal pro Minute rotieren.

Der Meißel besteht aus einer Wolframcarbid-Matrix mit eingearbeiteten Diamantkörnern. Dadurch ist er besonders für sehr hartes, kristallines Gestein wie Granit geeignet. Auch Stahl ist für den Spezialmeißel kein Hindernis. Das ist wichtig, da die Bohrungen für bessere Stabilität häufig mit einer Stahlverrohrung ausgekleidet sind. Der MTD kann also erst die Stahlverrohrung und dann das Gestein durchbohren – ohne Werkzeugtausch.

„In der Stunde schaffen wir zwei bis drei Meter. Das Wasser, das die Mikroturbine antreibt, dient zugleich als Kühlung, damit der Bohrer nicht heiß läuft, und auch als Spülung, um den Bohrstaub abzutransportieren“, erklärt Geißler.

Die Eignung für hartes Gestein unterscheidet den neuen Mini-Bohrer vom ebenfalls druckwasserbasierten Radial Jet Drilling (RJD). Dieses funktioniere nur in weichem Gestein, so das Fraunhofer IEG. Für die Geothermie sei es daher ungeeignet, da geothermische Reservoire meistens in Hartgestein zu finden seien.

Geothermie soll Hauptanwendungsgebiet sein – aber nicht das einzige

Die Geothermie werde die Hauptanwendung des neuen Bohrers sein. „Generell kann das MTD in jeder Tiefbohrung eingesetzt werden, wo es darauf ankommt, die Umgebung einer Bohrung mit möglicherweise heterogenen Gesteinsarten zu erkunden“, sagt Geißler.

Das beinhaltet auch die Öl- oder Gasindustrie. Und in den Geotechnologien oder im Tunnelbau könnte die Mikro-Bohrtechnologie Ankerbohrungen an schlecht zugänglichen Stellen ermöglichen.

Im Bedretto Underground Laboratory (BUL) in der Nähe des Gotthard-Tunnels hat der neue Bohrer bereits Tests in bis zu 350 Metern Tiefe absolviert. „Das Verfahren funktioniert sehr solide und arbeitet nahezu fehlerfrei“, sagt Geißler. Bereits 2020 wurde die Technologie zum Patent angemeldet. Seit März 2021 fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das Projekt mit mehr als 430 000 Euro.

Bohrgeräusche sollen Aufschluss über Gesteinsarten geben

Im nächsten Schritt will das Forschungsteam die Bohrgeräusche aufnehmen. Insbesondere die Schaufeln der Mikro-Bohrturbine erzeugen ein charakteristisches Pulsmuster. So soll sich erkennen lassen, durch welches Gestein sich der Meißel gerade bohrt. Auch, ob sich der Bohrer sich in der richtigen Geschwindigkeit dreht, gerade feststeckt oder gar leerläuft soll so erkennbar sein. Aufwändige Messtechnik im Untergrund braucht es dafür nicht. Die stählerne Rohrleitung soll die Geräusche dabei als Körperschall an die Oberfläche weiterleiten.

Das wachsende Interesse an der Geothermie lässt sich bereits beobachten. In Hamburg soll in Kürze eine neue Bohrung starten, die Wärme und je nach Temperatur auch Strom liefern soll. Ein Konsortium erkundet gezielt das Potenzial im Nordwesten. Das Verbundprojekt Sandsteinfazies nimmt vor allem die norddeutsche Tiefebene ins Visier, die in Summe ein sehr großes Potenzial für die Erdwärmenutzung hat.

03.01.2022 | Quelle: Fraunhofer IEG | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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