Modulfassade soll auch Bestandsgebäude mit erneuerbarer Energie versorgen

EE-Modulfassade: Ein Modul hängt hochkant an einem Bestandsgebäude.Foto: Fraunhofer
Außenansicht der EE-Modulfassade mit raumhohem PV-Element.
Die Gebäudesanierung ist seit vielen Jahren das Sorgenkind der Energiewende. Die Sanierungsquote für Bestandsgebäude verharrt auf geringem Niveau. Die Fraunhofer-Institute IBP und IEE entwickeln nun eine Modulfassade, die das ändern soll.

Ein größerer Vorfertigungsgrad von Bauteilen gilt als Chance, den Sanierungsstau zu lösen. Forschende der Fraunhofer Institute für Fraunhofer-Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP) und für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) entwickeln daher ein neuartiges Fassadenmodul. Darin sind eine Kleinstwärmepumpe zum Heizen und Kühlen und ein dezentrales Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung integriert. Zugleich ist das Fassadenmodul eine Photovoltaik-Anlage. Die Modulfassade versorgt die Gebäudetechnik also auch gleich mit Solarstrom. Für den Wärmeschutz sorgen Vakuum-Dämmelemente. So könnte die Modulfassade es leichter machen, auch Bestandsgebäude zügig energetisch zu sanieren.

Die Versorgung bezieht sich nicht auf das gesamte Gebäude, sondern ist dezentral. Eine einzelne Technikeinheit der EE-Modulfassade ist 1,25 m breit und 30 cm tief. Jede Einheit kann einen ca. 24 m² großen Raum versorgen. Auch die Regeltechnik ist in der EE-Modulfassade enthalten.

Die Implenia Fassadentechnik GmbH konstruiert die EE-Modulfassade. Lare GmbH Luft- und Kältetechnik entwickelt die Wärmepumpe. Die LTG AG ist für die dezentrale Lüftung verantwortlich. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi fördert das Verbundforschungsvorhaben.

Gebäude in Skelettbauweise sollen bei Sanierung neue EE-Modulfassade erhalten

Die EE-Modulfassade ist vor allem für Gebäude in Skelettbauweise gedacht. Anstelle von tragenden Wänden halten dabei Stahlbetonstützen die Geschossdecken. Laut den Fraunhofer-Instituten sind etwa 25 bis 30 Prozent aller Bürogebäude zwischen 1950 und 1990 in dieser Weise gebaut. Auch für Schulen war dieser Baustil in den 50er bis 70er Jahren üblich.

Bei der Sanierung werden die alten Fassadenelemente abgenommen. Stattdessen werden die neuartigen, geschosshohen Module vor der Gebäudestruktur eingehängt.

Die Fraunhofer-Institute schätzen den aktuellen Energieverbrauch der Bürogebäude in Skelettbauweise auf rund 3.200 GWh jährlich. „Mit unserer EE-Modulfassade lässt sich der Verbrauch auf 600 GWh senken“, sagt Projektleiter Jan Kaiser vom Fraunhofer IEE.

Mit diesem Anwendungsfall unterscheidet sich die EE-Modulfassade von der Energiefassade von AEE INTEC aus Österreich. Diese wird als zusätzliche Einheit an Bestandsfassaden montiert.

Sanierung des Gebäudes soll mit Modulfassade „minimalinvasiv“ möglich sein

Die modulare Fassade soll sowohl für Sanierung und Neubau geeignet sein und möglichst wenig kosten. Die Sanierung soll „minimalinvasiv“ möglich sein. „Wir renovieren nicht das komplette Gebäude, sondern nur die Fassade. Die alte Fassade wird künftig durch neue industriell vorgefertigte Module mit integrierter Anlagentechnik ersetzt, was sie somit multifunktional macht und an die neuen Energiestandards anpasst“, erläutert Projektleiter Jan Kaiser vom Fraunhofer IEE.

Durch die vorgefertigten Module sollen Planer und Investoren eine hohe Kostensicherheit erhalten. Der eigentliche Austausch der Fassade soll in wenigen Stunden möglich sein. Da die Heiz-, Kühl- und Lüftungstechnik komplett in der Fassade enthalten ist, spart man sich technische Umbauten im Gebäude. Einzige Änderung: Die Fassade braucht einen Stromanschluss, damit die Heizungs- und Klimatechnik unabhängig vom Solarstrom arbeiten kann. Mit der einfachen Installation sinkt auch der Abstimmungsaufwand auf der Baustelle. Das reduziert Fehlerquellen. Während der Sanierung müssen die Nutzer:innen „im Idealfall“ nicht ausziehen, heißt es von den Fraunhofer-Instituten.

Die EE-Modulfassade setzt auf Luft sowohl als Wärmequelle als auch als Wärmeträgermedium. In einem Luftspalt hinter der PV-Fassade ist ein Ventilatorkonvektor integriert. Über diesen entzieht die Wärmepumpe Energie aus der Außenluft. Die Arbeitszahl soll bei drei bis vier liegen. Auch die Wärmeversorgung der Innenräume erfolgt über einen Ventilatorkonvektor. Im Kühlbetrieb ist der Wärmefluss einfach umgekehrt.

Eine integrierte dezentrale Lüftungstechnikeinheit regelt den Luftwechsel und die Wärmerückgewinnung. Durch eine gezielte Verschaltung von Luftklappen braucht man nur einen Ventilator. Das minimiert den Stromverbrauch. Das Lüftungsgerät wechselt dabei zyklisch zwischen Zu- und Abluftbetrieb – wie beim Atmen.

Demonstrator der EE-Modulfassade ist im Testbetrieb

Ein Demonstrator der EE-Modulfassade ist gerade im Test in der in der Versuchseinrichtung für Energetische und Raumklimatische Untersuchungen (Veru) des Fraunhofer IBP in Holzkirchen. Er ist an der Südfassade des Veru-Gebäudes vor einem Versuchsraum montiert. Im Raum gibt es zeitlich variable Wärme- und Feuchtigkeitsquellen, die Nutzer:innen simulieren. So wollen die Projektpartner die Funktionsfähigkeit in einem realen Büroumfeld nachweisen. Die Messtechnik erfasst unter anderem Lufttemperatur, Luftfeuchte und Luftgeschwindigkeit auf unterschiedlichen Höhen und die Beleuchtungsstärke. Diese Kennwerte sind für die Behaglichkeit im Raum wichtig.

Für die Energiebilanz erfassen die Forschenden zudem die elektrischen Verbräuche und den Solarertrag. „Die neue EE-Modulfassade bietet einen exakt aufeinander abgestimmten Wärme- und Sonnenschutz bei gleichzeitig geringem Energiebedarf und hohem Nutzungskomfort“, sagt Michael Eberl vom Fraunhofer IBP.

Das Zusammenspiel aller Komponenten funktioniert laut den Fraunhofer-Instituten bereits sehr gut. Einzelne Bauteile würden aktuell noch optimiert.

04.01.2022 | Quelle: Fraunhofer IBP, Fraunhofer IEE | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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