Urban Windelen: Ohne Energiespeicher geht’s nicht

Portraitfoto Urban Windelen, Geschäftsführer Bundesverband Energiespeicher (BVES)Foto: BVES
Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbandes Energiespeicher Systeme (BVES).
Der Jurist Urban Windelen ist seit 2015 als Ge­schäfts­führer des Bundesverbands Energiespeicher Systeme und zugleich in einer Rechtsanwaltskanzlei tätig. In früheren Lebensphasen arbeitete er für die CDU, Shell und den Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft. Solarthemen-Chefredakteur Andreas Witt sprach mit ihm über die Fortschritte bei Energiespeichern.

Solarthemen: Energiespeicher haben in den vergangenen Jahren gut zugelegt, Herr Windelen. Wie zufrieden ist die Branche bzw. Ihr Verband mit der Entwicklung?

Urban Windelen: Grundsätzlich ist die Entwicklung der letzten Jahre als sehr positiv zu betrachten, weil Speicher in den drei Sektoren Strom, Wärme und Mobilität angekommen sind. Das gilt für Haushalte, die Industrie und die Systeminfrastruktur. Die Unternehmen wachsen. Die Umsätze wachsen. Und man kann jetzt langsam anfangen, damit auch Geld zu verdienen.

Derzeit haben wir eine sehr angespannte Diskussion um Energie. Was wären aus Ihrer Sicht die Impulse, die der Gesetzgeber für den Ausbau von Speichern setzen könnten?

Die Branche wird regulatorisch ausgebremst. Deswegen befindet sich die Entwicklung immer noch auf einem niedrigen Niveau. Wir sind zufrieden mit der Entwicklung. Aber das tatsächliche Potenzial kann die Branche nicht abrufen, weil der Gesetzgeber noch nicht wirklich erkannt hat, dass Speicher für die künftige Energieversorgung wichtig sind.

Osterpaket und Speicher

Es gibt nun mit dem Osterpaket eine Reihe von gesetzlichen Initiativen. Was finden Sie beim BVES gut, was nicht?

Der Grundansatz im Osterpaket ist richtig. Die Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer und die Entbürokratisierung, das ist alles wichtig. Gleichzeitig ist die Entwicklung, die dort angestoßen wird, nicht zu Ende gedacht. Denn wenn wir jetzt Erneuerbare endlich mit hoher Leistung zubauen, brauchen wir umso schneller die Speicher, um diese Energie dem System tatsächlich in vollem Umfang zur Verfügung stellen zu können. Allein im letzten Jahr wurden über sechs Terawattstunden Strom abgeregelt, weil wir sie nicht nutzen konnten. Und das ist unter den heutigen Gegebenheiten nicht mehr hinnehmbar. Mit dem neuen EEG erhöht die Regierung sogar die Mittagsspitzen, weil etwa die Volleinspeisung nun höher gefördert werden soll. Dabei kann man diese Spitze kaum nutzen.

Aber wo ist das eigentliche regulatorische Hemmnis für die Speicher?

Das Grundhemmnis ist, dass wir in Deutschland immer noch nicht rechtlich definiert haben, was überhaupt ein Speicher ist. Es werden ständig irgendwelche Begrifflichkeiten verwendet. Aber was ist im rechtlichen Sinne ein Speicher? Wir haben Erzeugung, Transport und Verbrauch definiert. Aber die Flexibilität und Leistung von Speichern, also die Verschiebung von Energie auf der Zeitachse, hat der Gesetzgeber nicht definiert. Und deswegen gibt es dieses systemische Element Speicherung im deutschen Energierecht bis heute nicht. Das aber wäre das Fundament, auf dem eine spezielle Speicherregulatorik überhaupt erst aufgebaut werden könnte.

Energiespeicher als solche definieren

Bis heute bezeichnen wir einen Speicher immer noch als Erzeuger und Verbraucher, obwohl er niemals etwas erzeugt und auch nicht verbraucht. Es steht im Koalitionsvertrag, dass die Koalitionspartner die Energiespeicher als vierte Säule definieren wollen, so wie es in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union umsetzungspflichtig vorgegeben ist. Es ist eine so low hanging fruit, dass man fast darüber stolpert. Aber sie wird nicht gepflückt.

Sie haben die Unternehmen der Speicherbranche befragen lassen. Als große Hemmnisse wurden Probleme in den Lieferketten und Knappheiten bei Rohstoffen und Vorprodukten genannt. Ist das jetzt eine zusätzliche Bremse für den Speicherausbau? Könnten wir überhaupt mehr ausbauen, wenn das regulatorische Problem gelöst ist?

Die Unternehmen müssen natürlich die Batterie- und Batteriezellproduktion hochskalieren. Und das machen sie derzeit nicht, weil sie erstens regulatorisch ausgebremst sind. Zweitens ist aber auch in Rohstoffthemen, in Lieferkettenproblemen, im Chipmangel und in weiteren Faktoren eine Begrenzung zu sehen. Es kann aktuell sein, dass die Unternehmen auf jedes Einzelprodukt, jedes kleine Teil bis zur Lüsterklemme runter, wochenlang warten müssen. Oder sie bekommen sie nicht in der Menge, die sie eigentlich brauchen.
Und diese Situation bedingt zudem steigende Kosten. Das ist ein Problem, ja, aber noch nicht ein derart wesentliches für die Speicherbranche. Es ist nicht so, dass gar nichts mehr geht, dass es die Materialien gar nicht gibt. Sie sind teurer geworden und es gibt Knappheiten. Aber die Branche ist noch vergleichsweise klein und kann das managen.

Speicher-Preise sinken derzeit nicht

Was bedeutet die Situation für die Preise im Speichermarkt? Was erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Ich rechne nicht damit, dass die Preise für Batteriespeicher als System in nächster Zeit noch deutlich sinken werden. Das liegt an der Zulieferproblematik und den gestiegenen Kosten auch in der Produktion von Speichern. Die Preisentwicklungen muss man sich immer genau ansehen. Man muss betrachten, auf welcher Ebene der Preis runtergegangen ist – auf Zell- oder auf Systemebene? Bei einigen Elementen des Systems werden die Preisreduktionen eher langsamer verlaufen als in den vergangenen Jahren.

Und wohin gehen die Trends bei den Heimspeichern? Was beobachten Sie?

Dass solche Dienstleistungen wie Insel- beziehungsweise Notstromfähigkeit des Systems zunehmend nachgefragt werden. Die Kundinnen und Kunden wollen sich den Speicher nicht nur in den Keller stellen, um ihre Selbstversorgung zu optimieren. Sondern sie möchten mit Blick auf die Versorgungssicherheit, dass sie sich, wenn kein Strom aus der Leitung kommt, über mehrere Tage selbst versorgen können. Und ein zweiter Trend ist, dass die Speicher größer werden, weil sie zunehmend systemisch genutzt werden. Das heißt, nicht mehr allein für Strom, sondern auch für Wärme, insbesondere zur Versorgung einer Wärmepumpe, und gekoppelt mit der Elektromobilität.

Heimspeicher sind netzdienlich

Ihre Branchenanalyse zeigt einen besonders hohen Zuwachs bei Heimspeichern. Aber ist das aus Sicht der Systemstabilität die beste Lösung? Wäre es nicht hilfreicher, Speicher im System und zum Beispiel in Quartieren aufzubauen?

Es ist die Frage, für wen es hilfreicher sein soll. Für das System oder den Nutzer, damit er sicher mit Energie versorgt ist? Und letztlich sind Heimspeicher netzdienlich, wenn sie die Spitzen aus den Netzen holen. Jeder einzelne Bürger, der sich eine solche Anlage installiert, ist per se netzdienlich unterwegs. Dieses Bashing der Hausspeicher als die bösen Entsolidarisierer trifft nicht zu.

Defizit bei Wärmespeichern

Die Diskussion verengt sich häufig auf den Stromsektor. Ihr Verband kümmert sich aber auch um den Wärmebereich. Der wird ja tatsächlich über die Bundesförderung mit Zuschüssen von bis zu 50 Prozent nicht so schlecht bedacht. Gäbe es hier noch weitere Ansätze, die die Wärmespeicher voranbringen könnten?

Einige Förderungen, die wir derzeit haben, schließen Speicher explizit aus. Es wird zum Beispiel die Wärmepumpe sehr deutlich gefördert – auch in der Industrie. Das ist gut und wichtig. Aber es werden gleichzeitig Effizienztechnologien wie thermische Speicher eben nicht gefördert.

Aber im Zusammenhang mit einem erneuerbaren Wärmeerzeuger wird doch auch ein Speicher bezuschusst.

Ja, klar. Aber das komplette Abwärmethema fällt hinten raus. Gerade in der Industrie kann ich mit Wärmepumpen häufig gar nichts anfangen. Die arbeiten nur bis 160 Grad. Industrieprozesse benötigen einige Hundert bis zu tausend Grad. Und hier könnte man mit Abwärme und thermischen Speichern sehr viel erreichen. Wir reden allein über 250 Terawattstunden Wärme, die in Deutschland ungenutzt verpuffen.

Förderung für Wärmespeicher?

Heißt das, man bräuchte unabhängig von den Wärmeerzeugern eine eigene Förderung für Wärmespeicher?

Es muss gar keine eigene Förderung sein. Es reicht, wenn in den Programmen Speicher- und Abwärmetechnologien mit genannt werden.

Wenn ich nun vereinfacht zusammenfasse, was wir im Rahmen des Interviews angesprochen haben, so könnte man heraushören, dass wir eventuell eine spezielle Initiative – auch politisch – benötigen, um den Speicher in den Mittelpunkt zu stellen.

Es würde letztlich reichen anzuerkennen, dass wir diese Speichertechnologien morgen benötigen, um die Stromwende, die Wärmewende und die Mobilitätswende umzusetzen. Es wäre schon ein großer Gewinn, wenn die Speichertechnologien mit anderen Flexibilitätstechnologien gleichgestellt würden. Wir setzen in Deutschland immer noch nur auf zwei Weisheiten: Ausbau der Erneuerbaren und Ausbau der Netze. Letzteres kommt sehr langsam voran und hilft uns in vielen Situationen nicht weiter. Die Technologien sind vorhanden, sie wurden häufig sogar in Deutschland entwickelt. Aber wir schaffen es nicht, sie ausreichend in die Märkte hineinzubringen, weil auch der Gesetzgeber das Potenzial missachtet und diesen heimischen Hebel nicht nutzt. Auch Herr Habeck sieht ihn nicht. Wenn ich noch einmal auf die Heimspeicher zurückkomme: Der 500.000ste wurde gerade installiert. Wir kommen damit auf ein Speichervolumen von über vier Gigawattstunden. Sie dürfen aber nicht fürs System genutzt werden.

19.4.2022 | Interview: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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