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Hitze in der Stadt: In Bayerns Städten werden hunderttausende Bäume gefällt

Der BUND Naturschutz hat eine breit angelegte Befragung in den größten Städten Bayerns durchgeführt, um Baumfällungen zu erfassen. Das Ergebnis unserer Erhebung ist erschreckend.

Zudem zeigen Temperaturmessungen erhebliche Unterschiede zwischen Betonwüste und Grünfläche. Der BUND Naturschutz plädiert deshalb dafür, Baumschutzverordnungen gesetzlich zu verankern.

Der BUND Naturschutz in Bayern hat bei den 15 größten Städten in Bayern und den Hauptstädten der sieben Regierungsbezirke abgefragt, wie viele Bäume in den vergangenen zehn Jahren gefällt und wie viele Bäume nachgepflanzt worden sind. Insgesamt sind mindestens 165.000 Bäume der Motorsäge zum Opfer gefallen (brutto), zieht man die Nachpflanzungen ab sind es immer noch mindestens 34.560 Bäume (netto) – die Aufschlüsselung nach Städten befindet sich im Anhang. Da die Städte teilweise nur sehr lückenhaftes Zahlenmaterial liefern konnten, liegen die tatsächlichen Zahlen deutlich höher. Nach Schätzungen des BN sind brutto 250.000 bis 300.000 und netto 45.000 bis 50.000 Bäume gefällt worden.

„Das Ergebnis unserer Erhebung ist erschreckend. Dass in Zeiten des Klimawandels so viele zum Teil sehr alte und große Bäume weichen müssen ist dramatisch“, erklärt der BN-Vorsitzende Richard Mergner. „Nachpflanzungen können den Verlust eines alten Baumes nur schwer kompensieren. Eine Linde, der Symbolbaum des BN, wächst beispielsweise 25 bis maximal 50 Zentimeter im Jahr. Es dauert also durchschnittlich rund 25 Jahre bis eine neu gepflanzte Linde eine mittlere Größe von zehn Meter erreicht. In der Stadt wachsen die Bäume meist sogar nur wenige Zentimeter im Jahr, weil sie vom Wurzelwerk her keinen Platz haben, sich zu entfalten.“    

Fällen oder nicht? Baumschutzverordnung muss verpflichtend werden!

Der BUND Naturschutz fordert, dem Baumerhalt oberste Priorität einzuräumen. Derzeit haben nur knapp 100 der 2.056 Städte und Gemeinden in Bayern eine Baumschutzverordnung. „Das muss sich ändern, eine Baumschutzverordnung muss gesetzlich verankert werden. Viele Städte führen zudem nur sehr lückenhafte Statistiken über ihren Baumbestand und die Fällungen. Hier muss es verpflichtende Vorgaben geben, ein Baumkataster sollte obligatorisch sein“, fordert Mergner. „Außerdem fordern wir die Bayerische Staatsregierung auf, die Bayerische Bauordnung so zu ändern, dass die Bäume besser geschützt werden.“
 
Welche Bäume schützenswert sind regelt die Baumschutzverordnung. Anlehnend daran kann in den Bebauungsplänen für jeden einzelnen Baum festgelegt werden, ob er gefällt wird oder nicht. Gibt es keine Baumschutzverordnung oder keinen Bebauungsplan greift die Bayerische Bauordnung, die dem Baurecht aber immer Vorrang gewährt – das heißt die Bäume müssen in den allermeisten Fällen weichen.

Bäume sind die Klimaanlage der Stadt
Wärmebildkamera Marienplatz, Foto: BN
Wärmebildkamera Marienplatz, Foto: BN

Der BUND Naturschutz hat in München am heißesten Tag des Jahres in Bayern außerdem exemplarisch die Temperatur am Marienplatz, in der baumreichen Valleystraße im Stadtteil Sendling und im Englischen Garten (Nähe Monopteros) gemessen. Die Messungen wurden mit einem Aspirationspsychrometer nach Aßmann durchgeführt. Mit diesem Messinstrument lässt sich die wahre, nicht durch die Sonneneinstrahlung verfälschte Temperatur ermitteln. Am baumlosen Marienplatz betrug die Temperatur 35,1 Grad, in der Valleystraße 33,4 Grad und im Englischen Garten 32,1 Grad. Der BN-Baumexperte Christopher Busch unterstreicht in diesem Zusammenhang: „Grünflächen und Bäume spielen für die Klimatisierung einer Stadt eine wichtige Rolle. Ein ausgewachsener Laubbaum verdunstet an einem heißen Sommertag locker 400 Liter Wasser und kühlt somit seine Umgebung ab. Ein Laubbaum mit 15 Meter Kronendurchmesser kühlt zusätzlich – je nach Sonnenstand – eine Fläche von mindestens 170 m² mit seinem Schatten“.

Richard Mergner abschließend: „Um Flächen zuzubauen und zuzupflastern werden immer mehr Bäume gefällt. Die Städte heizen sich dadurch stark auf, eine enorme Belastung für Mensch und Natur. Wir müssen hier schnell die Reißleine ziehen, ansonsten wird das Leben in den Städten in nicht allzu ferner Zukunft unerträglich.“

Liste der Baumfällungen

Bei den Zählungen sind folgende Punkte zu beachten:

  • Abgefragt wurden die Zahlen von 2011 bis 2021. Wenn in den Städten ältere Jahrgänge nicht erfasst wurden, sind die Zahlen auf den Zehn-Jahres-Zeitraum hochgerechnet worden (gerundet).
  • Es handelt sich immer nur um Bäume, die unter die Baumschutzverordnung fallen.
  • Die Städte führen leider sehr unterschiedliche oder nur rudimentäre Statistiken: Manche Städte erfassen nur die öffentlichen oder nur die privaten Bäume, andere Städte haben keine Daten über Baumfällungen aus privaten Bauanträgen oder konnten nur Statistiken über Straßenbäume liefern. Auch Zahlen über Nachpflanzungen konnten teilweise nicht geliefert werden.
  • Netto-Zahl: gefällte Bäume abzüglich Nachpflanzungen
  • Brutto-Zahl: absolute Zahl der gefällten Bäume

Einzelauflistung (nach Einwohnerzahl geordnet)

  • München (Regierungssitz Oberbayern): 21.600 Bäume netto / 98.270 Bäume brutto
  • Nürnberg: 9.942 Bäume netto / 17.931 Bäume brutto
    Nur Straßenbäume + private Bäume exklusive Baumaßnahmen
  • Augsburg (Regierungssitz Schwaben): 4.870 Bäume brutto
    Nur private Bäume, keine Nettozahlen
  • Regensburg (Regierungssitz Oberpfalz): 2.680 Bäume netto / 4.500 Bäume brutto
  • Ingolstadt: +3.790 Bäume netto / 1.960 Bäume brutto
    Nur öffentliche Bäume
  • Fürth: +1.783 Bäume netto / 4.312 Bäume brutto
    Ohne Straßenbäume
  • Würzburg (Regierungssitz Unterfranken): 10.660 Bäume brutto
    Ohne private Baumaßnahmen, keine Netto-Zahlen
  • Erlangen: +680 Bäume netto / 2.760 Bäume brutto
    Nur öffentliche Bäume
  • Bamberg: 0 Bäume netto / 3.000 Bäume brutto
  • Bayreuth (Regierungssitz Oberfranken): +360 Bäume netto / 3.280 Bäume brutto
  • Rosenheim: 678 Bäume netto / 3.363 Bäume brutto
    Ohne private Baumaßnahmen
  • Hof: +83 Bäume netto / 638 Bäume brutto
    Ausschließlich Straßenbäume
  • Straubing: 0 Bäume netto / 1.325 Bäume brutto
    Ohne private und öffentliche Baumaßnahmen
  • Amberg: 1.150 Bäume netto / 1.800 Bäume brutto
  • Memmingen: Anfrage konnte nicht beantwortet werden
  • Landshut (Regierungssitz Niederbayern): 2.075 Bäume netto / 6.839 Bäume brutto
  • Ansbach (Regierungssitz Mittelfranken): Anfrage konnte nicht beantwortet werden, da es keine Baumschutzverordnung gibt.

Gesamtzahl netto: 34.560 Bäume
Gesamtzahl brutto: 165.500 Bäume

Da das Zahlenmaterial sehr lückenhaft ist, liegen die tatsächlichen Zahlen deutlich höher. Nach Schätzungen des Bund Naturschutz in Bayern sind diese Zahlen realistisch:

Tatsächliche Gesamtzahl netto: 45.000 bis 50.000 Bäume
Tatsächliche Gesamtzahl brutto. 250.000 bis 300.000 Bäume


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Quelle

Bund Naturschutz in Bayern e.V. 2022

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