FA Wind: Ausbau Windenergie 2022 weiterhin schleppend

Balkendiagramm zeigt den Ausbau der Windenergie in Deutschland über die letzten zehn Jahre.Grafik: FA Wind
Brutto-Zubau der Windenergie-Leistung an Land nach drei Quartalen gemäß Marktstammdatenregister
Der Ausbau der Windenergie-Kapazitäten an Land bleibt 2022 weiterhin hinter den Zielen der Bundesregierung sehr weit zurück. Zwar sind nach einer heute bei den Windenergietagen in Linstow vorgestellten Analyse der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) in den ersten drei Quartalen 2022 rund 15 Prozent mehr Windenergie-Leistung ans Netz gegangen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Aber die Genehmigungen für neue Anlagen waren sogar rückläufig.

Das Ausbau-Tempo von Windenergie-Anlagen an Land verharrt somit laut FA-Wind 2022 „weiterhin auf einem weitaus zu geringem Niveau, um das (erste) Zwischenziel 2024 gemäß dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz sicher erreichen zu können.” 368 Windräder mit 1588 MW wurden demnach in den ersten drei Quartalen in Betrieb gesetzt. Nach Abzug stillgelegter Anlagen bleiben 1429 MW Netto-Zuwachs. Für das Gesamtjahr 2022 prognostiziert die FA Wind in der aktuellen Auswertung nun einen Brutto-Zubau von 2,3 bis 2,5 Gigawatt.

Osterpaket der Bundesregierung wirkt noch nicht

Die im Frühsommer im Rahmen des Osterpakets beschlossenen höheren Zielvorgaben für den Ausbau der Windenergie und die Gesetzesänderungen zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren scheinen bislang noch nicht zu wirken.

Besonders kritisch sieht die FA Wind den 2022-er Trend für den Ausbau der Windenergie in Süddeutschland. In der im EEG 2021 definierten Südregion, zu der neben Baden-Württemberg, dem Saarland und dem Großteil Bayerns auch Teile von Hessen und Rheinland-Pfalz gehören, gingen von Januar bis September lediglich 22 Anlagen mit zusammen 94 MW Leistung ans Netz. Auf den Süden entfällt also nur noch 6,5 Prozent der deutschlandweit neu installierten Leistung. Der Autor der FA-Wind-Studie, Jürgen Quentin, nennt das einen „neuen Tiefpunkt in der Südquote”. Aber auch in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern ging der Windkraftausbau gegenüber dem Vorjahreszeitraum um jeweils 42 Prozent zurück.

Windenergie-Genehmigungen sind 2022 rückläufig

Mit Sorge registrieren FA Wind und der Bundesverband Windenergie (BWE), dass die Genehmigungen trotz aller Bemühungen der Politik sogar leicht rückläufig sind. Die Zahl der in den ersten neun Monaten 2022 genehmigten Anlagen liegt laut Marktstammdatenregister um 15 Prozent unter dem Vorjahres-Vergleichswert. Zudem ist die Leistung dieser im Durchschnitt größeren Anlagen um acht Prozent geringer als 2021. Und Besserung ist nicht in Sicht: Laut einer verbandsinternen Umfrage des BWE befinden sich derzeit 8700 MW im Genehmigungsverfahren. Bei der vorherigen Umfrage waren es noch rund 10.000 MW.

Mirko Moser-Abt, BWE-Teamleiter Politik, sagte gestern bei den Windenergietagen in Linstow: „Wir sind weit von dem Durchbruch entfernt, den die Ampelregierung sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hat.” Mit Bezug auf eine Überschlagsrechnung der Deutschen Energieagentur sagt Moser-Abt, in Deutschland müssten in den kommenden Jahren pro Tag jeweils acht bis neun Windräder neu aufgestellt werden, um die Zubau-Ziele der Bundesregierung zu erreichen und zugleich Altanlagen zu ersetzen.

Realisierungsdauer stagniert für neue Windenergie-Anlagen

Nur Optimisten der Windbranche können es als Hoffnungsschimmer werten, dass die mittlere Realisierungsdauer – die Zeit, die zwischen Genehmigung und Inbetriebnahme verstreicht – im laufenden Jahr nicht weiter angestiegen ist. Sie erreichte laut FA Wind 2021 den Höchstwert von 25,9 Monaten, auf dem sie auch 2022 verharrte. Zum Vergleich: In den Jahren 2011 bis 2017 hatte es im Schnitt ungefähr ein Jahr gedauert, bis ein genehmigtes Windrad den ersten Strom produzierte. Neben Corona, Problemen mit Lieferketten und langen Gerichtsverfahren ist offenbar durch Einführung der Ausschreibungen im Jahr 2017 ein weiterer Verzögerungsfaktor hinzugetreten. Denn auf die Zeit zwischen Genehmigung und Zuschlagerteilung entfallen laut der FA-Wind-Analyse durchschnittlich etwa sechs Monate.

Alte Windkraftanlagen bleiben am Netz

Paradox: Für den Klimaschutz ist es vor diesem Hintergrund fast von Vorteil, dass wenigstens viele der aus der EEG-Förderung herausfallenden Altanlagen zunächst weiter am Netz bleiben. Mit knapp 160 MW wurden 30 Prozent weniger Leistung stillgelegt als im Vorjahr. Dies schreibt die FA Wind den aktuellen Strompreisen zu. Windmüller können über die sogenannte „Direktvermarktung” aktuell an der Strombörse hohe Gewinne erzielen. Diese machen einen Weiterbetrieb der Anlagen attraktiv. Die Bundesregierung plant sie allerdings als „Zufallsgewinne“ größtenteils abzuschöpfen.

Die „Repowering-Quote”, also der Anteil neuer Anlagen, die ein altes Windrad direkt ersetzt, liegt bislang im laufenden Jahr bezogen auf die neu installierte Leistung bei 24 Prozent. Der Repowering-Anteil ist somit deutlich höher als im Vorjahr. 93 Anlagen mit 376 MW identifizierte die Agentur als Repoweringfälle.

Auf der technischen Seite setzt sich der Trend zu größeren Windenergieanlagen ungebrochen fort. Aktuell liegt die durchschnittliche Generatorleistung der genehmigten, noch nicht in Betrieb genommenen Anlagen erstmals über 5 MW.

9.11.2022 | Autor: Guido Bröer
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