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Klimaschutz-Index 2023: Energiepreiskrise wird zum Stresstest für den Aufbruch in die Klimaneutralität

Klimaschutz-Index 2023: Dänemark, Schweden und Chile an der Spitze – große Öl- und Gasproduzenten Schlusslichter / China größter Absteiger, nun gleichauf mit USA in schlechtester Kategorie / Deutschland rutscht trotz verbesserter Klimapolitik um drei Plätze auf Rang 16.

Die Energiepreiskrise zeigt derzeit eindrücklich, wie abhängig die Welt noch immer von fossilen Energieträgern ist. Doch es gibt eine Reihe von Staaten, die sich durch ambitionierte Schritte im Klimaschutz und einen zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energien eine bessere Ausgangsposition erarbeitet haben als andere. Der heute von Germanwatch und dem NewClimate Institute veröffentlichte Klimaschutz-Index 2023 (CCPI) zeigt diese Vorreiter, aber auch diejenigen, die noch Nachholbedarf haben. Der Index vergleicht 60 der größten Emittenten weltweit hinsichtlich ihrer Klimaschutzbemühungen.

Die gute Nachricht: Staaten wie Chile, Marokko und Indien (Plätze 6 bis 8) zeigen in den letzten Jahren konstant gute Ergebnisse im CCPI und nähern sich den Spitzenreitern Dänemark und Schweden (Plätze 4 und 5) an. Die ersten drei Plätze bleiben leer, weil noch kein Staat auf einem 1,5 Grad-Pfad liegt.

Die schlechte Nachricht: Der größte Emittent China fällt stark zurück und landet im neuen Index 13 Plätze verschlechtert in der Gesamtkategorie „sehr schlecht“, wo trotz einiger Verbesserungen in der Klimapolitik auch der zweitgrößte Emittent, die USA, noch zu finden ist (Plätze 51 und 52).

Prof. Niklas Höhne vom NewClimate Institute, einer der Autoren des Index: „Die Energiepreiskrise zeigt, dass ambitionierter Klimaschutz auch ökonomisch der einzig sinnvolle Weg ist. Alle Staaten sollten sich unabhängig machen von Kohle, Öl und Gas. Erneuerbare Energien sind weltweit wirtschaftlicher als jedes neu gebaute konventionelle Kraftwerk. Investitionen in Energieeffizienz haben sich noch nie so ausgezahlt wie heute. Insbesondere die skandinavischen Staaten Norwegen, Schweden und Dänemark zeigen, wie ein zügiger und nachhaltiger Ausbau der Erneuerbaren aussehen kann.“

Verkehr und Erneuerbare Energien lassen Deutschland abrutschen

Deutschland hat sich im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze verschlechtert (Rang 16, noch knapp im Bereich „gut“). Die neue Bundesregierung erhält bessere Noten als die vorherige und die im 5-Jahres-Vergleich (2017 zu 2021) rückläufigen Pro-Kopf-Emissionen sorgen für gute Bewertungen beim Emissionstrend. Dagegen rächt sich jetzt die schwache Klimapolitik der vergangenen Jahre. Der seit 2020 stark gebremste Ausbau der Erneuerbaren und die nach Corona wieder sprunghaft gestiegenen Emissionen insbesondere im Verkehrssektor schlagen stark ins Kontor. Die schlechteste Teilplatzierung erhält Deutschland mit Rang 34 bei den Erneuerbaren Energien (nochmal fünf Plätze verschlechtert). Unter der letzten Regierung war insbesondere der Ausbau der Windenergie massiv eingebrochen. Wenn die Beschleunigungspakete der neuen Bundesregierung wirken, kann sich diese Platzierung in den nächsten Jahren wieder verbessern. Die beste Platzierung ist Rang 12 bei der Bewertung der deutschen Klimapolitik der neuen Regierung (um sieben Plätze verbessert).

„Die Verschlechterung in der Gesamtplatzierung Deutschlands im Vergleich zum Vorjahr ist einerseits eine Folge des stark erlahmten Erneuerbaren-Ausbaus an Land bis 2020. Andererseits ist er Konsequenz der massiven Verfehlung der Klimaziele insbesondere im Verkehrs-, aber auch im Gebäudesektor“, erklärt Jan Burck von Germanwatch, einer der Autoren des Index. „Die Pläne zur Beschleunigung des Erneuerbaren-Ausbaus, die angekündigte Energieeffizienz-Offensive und das konstruktive Auftreten Deutschlands bei Klimaverhandlungen schlägt bei der Bewertung der Klimapolitik positiv zu Buche. Negativ wirkt sich hingegen zum einen die Fixierung von Kanzler Scholz auf den überdimensionierten Ausbau von Flüssiggas-Importen und das Hochfahren von Kohlekraftwerken infolge der Energiepreiskrise aus. Zum anderen drückt auch die Arbeitsverweigerung des Ministers Wissing bei der Umsetzung der Klimaziele im Verkehr auf Deutschlands Bewertung.“

Dänemark top in fast allen Kategorien, Indien steigt weiter auf

Der große Vorreiter in Sachen Klimaschutz ist nach wie vor Dänemark. Wie schon im vergangenen Jahr überzeugt der Gesamtsieger des Index auch in fast allen Einzelkategorien und weist als einziges Land eine „gute“ nationale und sogar „sehr gute“ internationale Klimapolitik auf. Allein im Bereich Energieeffizienz hat Dänemark weiterhin Nachholbedarf und das Land droht nach aktuellem Stand seine Klimaziele für 2025 zu verfehlen. Man wird sehen, ob die neue Regierung die positive Tendenz fortsetzen wird.

Indien hat sich in der oberen Gruppe etabliert und noch um zwei Plätze auf Rang 8 verbessert. Das Land profitiert vor allem von noch immer geringen Pro-Kopf-Emissionen und vergleichsweise geringem Energieverbrauch. Auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien erhält gute Noten. Die besten Kategorieplatzierungen erhält Indien beim Energieverbrauch (Rang 9) und der Klimapolitik (8.), allerdings reicht dafür in letztgenannter Kategorie die Bewertung „mäßig“. Der Emissionsanstieg ist allerdings noch so gravierend, dass Indien ohne transformative Politik in absehbarer Zeit abrutschen würde.

Von „gut“ bis „sehr schwach“: Breit gefächertes Feld bei EU-Staaten

Die EU als Ganzes klettert drei Plätze nach oben und verfehlt mit Rang 19 nur knapp die Kategorie „gut“. Hauptgrund für den Aufstieg ist eine bessere Bewertung in der Kategorie Klimapolitik, die auf die nachgeschärfte Zielerhöhung im Rahmen des Fit for 55-Pakets zurückzuführen ist. „Langfristig wird die EU im Klimaschutz-Index jedoch nur aufsteigen, wenn sie alle Mitgliedsstaaten unter anderem mit einem CO2-Preis für Verkehr und Wärme dabei unterstützt, ihre Emissionen weiter zu senken. Dafür brauchen wir als Ausgleich für die sozial Schwächeren zudem einen starken sozialen Klimafonds“, sagt Thea Uhlich von Germanwatch, Co-Autorin des Klimaschutz-Index. Denn derzeit ist das Bild bei den EU-Staaten höchst uneinheitlich: Neun befinden sich in der Kategorie „gut“, sieben in „schlecht“ und zwei gar in „sehr schlecht“. Dänemark und Schweden sowie Aufsteiger Niederlande (13., sechs Plätze hoch) rangieren weit oben, Polen (54.) und Ungarn (53.) hingegen in der untersten Kategorie „sehr schlecht“, was unter anderem auf die Bewertung in der Klimapolitik zurückzuführen ist.

Bemerkenswert ist die Leistung Spaniens, das sich im Vergleich zum Vorjahr in allen vier CCPI-Kategorien verbessert und um elf Plätze auf Rang 23 klettert („mäßig“). Frankreich hingegen fällt um elf Ränge auf Platz 28 zurück, was vor allem auf seine schlechtere Platzierung in der Kategorie Klimapolitik im Vergleich zum Vorjahr sowie eine nur schwache Bewertung bei den Erneuerbaren Energien zurückzuführen ist.

China nur bei Erneuerbaren Energien „gut“ – USA bei Klimapolitik deutlich verbessert

Die größten Emittenten China (Rang 51) und die USA (Rang 52) finden sich in der Kategorie „sehr schlecht“ wieder. Mit einer Verschlechterung um 13 Plätze ist China der größte Absteiger des neuen Index. Das Land investiert zwar weiter in sehr großem Maße in Erneuerbare, schneidet aber insbesondere beim Emissionstrend (2016-2021) sehr schlecht ab. „China schafft es bisher nicht, die steigenden Emissionen zu drosseln und den Trend nachhaltig umzukehren. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ist das Land zwar gut, aber das reicht nicht. Wenn dem Ausbau der Erneuerbaren jetzt auch ein Rückbau von Kohlekraftwerken folgt, kann China auch im CCPI wieder aufsteigen“, bilanziert Höhne. Burck ergänzt: „Die USA klettern vor allem aufgrund Joe Bidens progressiver Klimapolitik im Ranking. Auch der Trend bei den Emissionen und Energieverbrauch zeigt in die richtige Richtung, allerdings ist das Emissionslevel pro Kopf im Vergleich noch sehr hoch. Bidens frisch geschnürtes Inflationspaket setzt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien an und das ist auch dringend nötig: Die USA kommt in dieser Kategorie nur auf Platz 59.“

Die Schlusslichter im Gesamt-Index sind die ölreichen Länder Iran (63.), Saudi-Arabien (62.) und Kasachstan (61.). Bei der Klimapolitik-Bewertung sticht Russland negativ hervor: Es liegt mit 0,0 Punkten auf dem letzten Platz und löst damit Australien ab, das nach dem Regierungswechsel in der Klimapolitik um über 20 Plätze und in der Gesamtwertung um immerhin vier Plätze auf Rang 55 geklettert ist.

Zum Klimaschutz-Index: Der von Germanwatch und dem NewClimate Institute veröffentlichte Klimaschutz-Index (Climate Change Performance Index, CCPI) ist eine Rangliste von 59 Ländern plus EU gesamt, die zusammen für etwa 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Die kriegsgebeutelte Ukraine ist für dieses Jahr aus der Wertung genommen worden. Die vier bewerteten Kategorien sind: Treibhausgasemissionen (40%, Stand 2021), Erneuerbare Energien (20%, Stand 2020), Energieverbrauch (20%, Stand 2020) und Klimapolitik (20%, Stand 09/2022). Letztere basiert auf Experteneinschätzungen von Organisationen und Think Tanks aus den jeweiligen Ländern.

In diesem Jahr haben den Index ca. 450 Expert:innen unterstützt. Innerhalb der Kategorien Emissionen, Erneuerbare Energien und Energieverbrauch bewertet der Index auch, inwieweit die Länder angemessene Maßnahmen ergreifen, um auf einen Pfad zu gelangen, der mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. Damit ist der Klimaschutz-Index ein wichtiges Instrument, das die Transparenz in der internationalen Klimapolitik erhöht und einen Vergleich der Klimaschutzbemühungen der einzelnen Länder ermöglicht. Er wird seit 2005 jährlich veröffentlicht.

Quelle

Germanwatch.org 2022

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