© letzte Generation / Für 100 km/h auf der Autobahn
© letzte Generation / Für 100 km/h auf der Autobahn

Die "Letzte" Generation und ihre Vision

Was soll mit dem Festkleben am Zebrastreifen, oder dem Ankleben an Museumsobjekten und ähnlichen Aktionen erreicht werden?

© Letzte Generation /Demo mitten in der Innenstadt
© Letzte Generation /Demo mitten in der Innenstadt
© Letzte Generation / Gegen  Einsatz von  fossilen Energien
© Letzte Generation / Gegen Einsatz von fossilen Energien

In den letzten Wochen wurde heiß über die Aktionen der "Letzten Generation" debattiert, manchen Menschen, auch aus der Umweltbewegung, erscheinen sie zu radikal. Aber die letzte Generation weist nur darauf hin, dass wir in eine Sackgasse laufen und es dringend notwendig ist, endlich zu handeln.

Viele der Aktivisten und Aktivistinnen der "Letzten Generation" sind schon länger in der Klima- und "Überlebensbewegung", wie sie es nennen, aktiv, die in Österreich und international auch zum Mittel des friedlichen zivilen Widerstands greift. Das “Neue” am Aufstand der Letzten Generation ist, dass die Handelnden wieder und wieder mit Name und Gesicht in Aktion gehen, weil die Klimakrise inzwischen ein absoluter Notfall ist und gerade die jüngere Generation absolut nichts mehr zu verlieren hat.

Mit der Idee, sich beispielsweise auf der Straße festzukleben und damit den Verkehr zu blockieren und weiteren Aktionen in diese Richtung wurden unzählige Medien auf die Klimaktivist:innen aufmerksam. "An einer Überlebenspolitik darf es kein Vorbeigehen mehr gehen", so lautet ihre Devise.

Zitat von Klimaforscher Prof. Schellnhuber: “Wir schieben unsere Kinder in einen globalen Schulbus, der mit 98% Wahrscheinlichkeit tödlich verunglückt.”

"Als erste Generation, die den beginnenden Klimakollaps spürt sind wir gleichzeitig die letzte, die ihn noch irgendwie aufhalten kann – daher kommt der Name. Wir wollen so lästig und nervig sein mit unseren Aktionen, dass wir zumindest einmal nicht wie alle anderen Klima- und Überlebensproteste der Vergangenheit von der Politik ausgesessen und ignoriert werden." so Martha Krumpeck, eine der Aktivistinnen. "Wir sind Teil eines weltweiten Netzwerks von Bewegungen, die das gleiche Ziel verfolgen, zu dem auch etwa Just Stop Oil im UK, die bundesdeutsche Letzte Generation und Dernière Rénovation in Frankreich zählen."

Frankreich und Großbritannien: Erfolge bei der Umsetzung

Insulate Britain, eine Vorläuferbewegung von Just Stop Oil im UK, hat sich mit ihrer Forderung nach einem staatlichen Programm zur Wärmeisolierung von Wohnungen durchgesetzt. Die Aktionen waren maßgeblich daran beteiligt, das sonst so langweilige Thema “Wärmedämmung” ins Bewusstsein der Öffentlichkeit und auf die politische Agenda zu bringen. Ein ähnlicher Erfolg scheint sich jetzt gerade für Dernière Rénovation in Frankreich abzuzeichnen.

Was bei den Aktionen der "Letzten Generation" erlebt wird: Wut und Zuspruch

Bei so manchen Autofahrern sorgten die Aktionen bereits für große Wut, aber es gibt auch Zuspruch. "Wir stören den Alltag nicht gern. Es macht uns keinen Spaß, uns bei jedem Wetter an die Straße zu kleben. Eine am Boden sitzende Mutter wurde regelrecht umgerannt, ein Pädagoge von einer Autofahrerin mit Wasser übergossen. Aber wir erleben auch immer wieder Solidarität vor Ort. Eine andere Autofahrerin und Passanten haben uns Tücher überreicht, um uns zu trocknen nach der Wasser-Attacke. Passant:innen bringen uns Getränke oder Essen mitten auf die Straße. Oder sagen uns immer öfters „Danke, dass ihr das macht, “ erzählen die Aktivist:innen.

Antworten auf einige Fragen an die Aktivist:innen


Wie geht es in Österreich weiter?

In Wien sind für heuer keine weiteren Straßenaktionen mehr geplant – auch, um der Regierung eine Nachdenkpause zu verschaffen, damit sie sich mit den Fakten und der Wissenschaft zu Tempo 100 beschäftigen kann. "Sollte es im neuen Jahr immer noch keine Bereitschaft geben, für unser Überleben tätig zu werden, werden wir ab 9. Jänner noch entschlossener und mit noch mehr Menschen wiederkommen. In der Zwischenzeit fokussieren wir uns auf die Bundesländer, und in Wien auf Vorträge und Mobilisierung. Es gibt in Graz, Linz und Innsbruck bereits Menschen, die sich uns anschließen wollen und die bald vor Ort erste Aktionen starten."

Keine Straßenaktionen in Wien heißt für die Vertreter:innen der "Letzten Generation" keine Aktionen, bei der sich Menschen in den inzwischen bekannten orangen Warnwesten in Wien auf Straßen setzen und/oder festkleben. Sonstige Aktionsformate, als Stichworte seien Kunst, Sport und Farbe genannt, sind davon nicht betroffen. Wichtig ist aber, dass keine bleibenden Schaden angerichtet werden.

Was meint ihr zum Radunfall in Berlin?

Unsere Empathie und Betroffenheit gilt an diesen Tagen der Radfahrerin, die in Berlin von einem Betomischer überfahren wurde und danach im Krankenhaus verstorben ist. Wir verweisen hier ausdrücklich auf die Stellungnahme aus Deutschland, wo auch auf die mediale Diffamierungs- und Hetzkampagne und zahlreiche Faktenverdrehungen eingegangen wurde.

Es war ein Protest auf einer Schilderbrücke, nicht auf einer Straße. Kein Mensch der Letzten Generation saß am betreffenden Tag auf der betreffenden Autobahn. Die Sperrung erfolgte durch die Polizei. Die Feuerwehr wurde nicht durch den Stau an sich blockiert, sondern durch Autofahrer:innen, die die Rettungsgasse verstopften. Das ist leider trauriger Alltag, und wird viel zu wenig thematisiert. Ein ähnliches Problem gibt es auch mit Falschparker:innen, besonders im städtischen Raum. Wäre es eine Blockade der Letzten Generation auf der Autobahn gewesen, wäre die Rettungsgasse sofort frei gemacht, denn die Menschen, die auf der betreffenden Spur sitzen, sind aus diesem Grund nie angeklebt.
Ein Notfallsanitäter im Einsatz sagt, dass eine Crashrettung notwendig gewesen wäre. Der Rüstwagen der Feuerwehr wäre auch ohne Stau zu spät gekommen, um eine Rettung noch zu ermöglichen.
Wir wollen den Alltag stören, nicht Menschen in Not – wir lassen Einsatzfahrzeuge und Notfälle durch.

Es ist nur so, dass wir jedes andere (weniger störende) Protestmittel versucht haben, und es leider nicht gereicht hat. Wir wünschen uns eine Welt, in der das für unser aller Überleben nicht mehr notwendig ist. Eine Welt, in der Politiker:innen von sich aus wissenschaftliche Fakten ernst nehmen und entsprechend handeln, ganz ohne dass wir uns dem Alltag in den Weg stellen müssen.

Seid ihr nicht gefährdet, wenn sich die Menschen so sehr über aufregen?

Wir bekommen telefonisch und schriftlich stetige Morddrohungen und schlimmste Aussagen nach dem Verbotsgesetz. Es fallen Sätze wie: „Wir werden euch nach den Aktionen verfolgen“, „Ich werde euch mit Benzin übergießen und über eure Köpfe fahren.“ oder „Mauthausen wartet auf euch.“


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /