© zVg / Die Betroffenen haben sich Expert:innen ins Boot geholt. Man ist sich einig, dass ein Umdenken dringend notwendig ist
© zVg / Die Betroffenen haben sich Expert:innen ins Boot geholt. Man ist sich einig, dass ein Umdenken dringend notwendig ist

Wiener Neustadt: Intransparenter Prozess bei Ost-"Umfahrung" und viele offene Fragen

Verärgerte Bauern kämpfen jetzt rechtlich gegen die drohende Enteignung.

Wiener Neustadt - Der Streit um die Ost-„Umfahrung“ in Wiener Neustadt spitzt sich zu. Die breite Kritik mit weit über 6.000 Unterschriften, die große Traktor-Demo aus Lichtenwörth und das riesige mediale Echo in den letzten Wochen bringen die ÖVP vor der Landtagswahl im Jänner unter Druck. Lichtenwörths Bürgermeister Manuel Zusag lud in der Vorwoche gemeinsam mit seinem ÖVP-Kollegen, Wiener Neustadts Bürgermeister Klaus Schneeberger, und der Bauernkammer zu einer Infoveranstaltung ins Gemeindeamt Lichtenwörth. Die kurze Vorlaufzeit sorgte schon im Vorfeld bei den Bauern für Ärger.

Bauern holen Expert:innen an Bord<7b>

Eine Gruppe von Bauern rund um den Obmann der örtlichen landwirtschaftlichen Genossenschaft und Chef der Agrargemeinschaft, Johann Müllner, holte sich im ungleichen Kampf Unterstützung. Vertreten wurden sie von den auf Verfassungsrecht und Umweltrecht spezialisierten Anwälten Wolfram Proksch und Piotr Pyka von Ethos Legal. Mit an Bord waren auch die frühere Leiterin des Instituts für Raumplanung der Boku Wien, Gerlind Weber, sowie der Präsident der Katholischen Aktion Wien, Reinhard Bödenauer.

"Über Bauern wird weiter drübergefahren"

Der Ärger bei den Bauern wurde im Laufe der Infoveranstaltung noch größer. „Auf konkrete Fragen gab es keine Antworten. Im Gegenteil, es sind noch viel mehr Punkte offen als vorher. Für mich ist es jetzt noch klarer, dass ich meine besten Äcker behalten will“, gibt sich Johann Müllner kämpferisch.

Anwalt Wolfram Proksch kritisiert das Vorgehen des Landes NÖ: „Die Verhandlungen mit den Bauern sind völlig intransparent. Es soll offenbar bewusst nur Einzelgespräche geben. Gelockt werden die Landwirte mit Ersatzflächen, die man ihnen aber offenbar erst anbieten will, wenn sie vorher der Grundabtretung für den Straßenbau zustimmen und auf weitergehende Ansprüche verzichten. Dass nicht für alle Betroffenen genug Flächen mit adäquater Bodengüte vorhanden sind, scheint schon jetzt klar. Selbst die Landwirte, die die Abtretung akzeptieren, haben damit keine Sicherheit, ob und welche Ersatzflächen sie nachher allenfalls erhalten. Wie sich bei der Infoveranstaltung herausstellte, ist noch nicht einmal gesichert, um welche Flächen es genau geht, und ob diese schon im Besitz des Landes NÖ oder der Gemeinden sind.“ Dazu meinte der für die Abwicklung der Käufe und Verkäufe eingesetzte DI Kern seitens der Gemeinden und des Landes: „Erst wenn die überwiegende Mehrheit zustimmt, gibt es die Möglichkeit der Verteilung der Ersatzflächen im Ausmaß von ca. 15 ha.“

Wie über die Bauern drübergefahren wird, zeigte Raumplanerin Univ. Prof. Dr. Gerlind Weber auf: „Die Trassenführung widerspricht der Struktur der Felder. Eigentlich sollte ein begleitendes behördliches Verfahren selbstverständlich sein. In diesem Fall müssen sich die Landwirte im Nachhinein und auf eigene Kosten dann selbst um alles kümmern und haben dadurch riesige Nachteile.“ Auf die Generationenverantwortung und die nationalen Bodenschutzziele wollte Reinhard Bödenauer, der auch Präsident der Katholischen Aktion ist, hinweisen. ÖVP-Bürgermeister Schneeberger schnitt ihm zum Ärger der Mehrheit der im mit mehr als 50 Personen im Gemeindesaal anwesenden Menschen allerdings kurzerhand das Wort ab.

Chancen im Enteignungsverfahren stehen gut

Sollte es wirklich zu einem Enteignungsverfahren kommen, sehen die Anwälte Piotr Pyka und Wolfram Proksch gute Chancen für die Bauern: „In den bisherigen Verfahren wurden weder der tatsächliche Bedarf noch das öffentliche Interesse am geplanten Straßenbau hinreichend geprüft. Die Errichtung der Umfahrung widerspricht sowohl dem nationalen als auch dem europäischen Umweltrecht massiv. Betroffene haben unserer Meinung nach immer noch die Möglichkeit, den Grundabtretungen nicht zuzustimmen, die viel zu niedrig angesetzten Entschädigungen nicht zu akzeptieren, und das Projekt damit insgesamt zu Fall zu bringen.“


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /