© System Change, not Climate Change /  Aktion gegen Rodung
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Politisch handeln statt einsperren

Das Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte spricht sich gegen die Kriminalisierung der Klima-Aktivist:innen aus

Erst war der Grund der Aufregung nicht recht klar. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte Freiheitsstrafen für Klima-Aktivist:innen, die durch Klebeaktionen Menschenleben gefährden: "Wer seine Freiheit dazu missbraucht, das Leben seiner Mitmenschen zu gefährden, dem muss der Entzug seiner Freiheit drohen". Verwirrend ist, dass das, was als politische Forderung auftritt, längst geltendes Strafrecht ist: Die vorsätzliche oder fahrlässige Gefährdung der körperlichen Sicherheit anderer wird vom Strafgesetzbuch in §89 StGB mit gerichtlicher Strafe bedroht, das Aufstechen von Autoreifen als Sachbeschädigung, die Durchsetzung einer Blockade mit Mitteln der Gewalt oder der gefährlichen Drohung als Nötigung §105 StGB. Von alldem kann bei den Klebe-Aktionen der Letzten Generation, die auf Friedlichkeit und Gewaltfreiheit bedacht sind, allerdings kaum die Rede sein.

Deutlicher wurde da Landesparteiobmann Stadtrat Karl Mahrer mit dem Vorschlag, in den Klebe-Aktivist:innen schlechthin Kriminelle zu sehen: "Behandeln wir diese Personen als das, was sie sind - Straftäter. Mit Straftätern muss nicht diskutiert werden." Die Gleichung "Klimakleber:innen sind gleich Straftäter:innen sind gleich wegzusperren", ist aber nicht nur zu einfach, sie ist gefährlich. Die Kriminalisierung des politischen Gegners verletzt die Grundregeln einer Demokratie, ebenso wie der Aufruf zur Gesprächsverweigerung. Was hier unter die Räder zu kommen droht, ist der Respekt vor politisch Andersdenkenden, auf den der soziale Friede in einer pluralen Demokratie angewiesen bleibt. "Nicht diese Töne!", möchte man deshalb fordern, nicht einmal in Zeiten der Wahlwerbung! Wenn Aktivist:innen übers Ziel schießen, bieten Versammlungs- und Sicherheitspolizeirecht ausreichend Instrumente, sie in die Schranken zu weisen, dazu ist das Strafrecht weder ein erforderliches, noch ein angemessenes Mittel. Und die Verletzung von Ordnungsvorschriften führt nicht zur Verwirkung von Grundrechten wie auf freie Meinungsäußerung, einschließlich in Formen einer öffentlichen Versammlung.

Dass uns die Letzte Generation etwas Essentielles zu sagen hat, auch wenn uns ihre Blockaden und Schüttaktionen gehörig nerven, tritt dabei in den Hintergrund, was in der Absicht jener gelegen sein mag, die diese Strafrechtsdiskussion losgetreten haben. Denn die Forderung nach neuen oder schärferen Straftatbeständen ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass einer Seite die Argumente ausgehen, zumal angesichts zivilgesellschaftlicher Proteste, denen Legitimität kaum abgesprochen werden kann.

Quelle: Wiener Forum für Demokratie und Menschenrechte humanrights.at


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /