Turbo für Stecker-PV-Anlagen läuft 2023 an

Vier Balkons an einem Wohnhaus mit Balkon-PV-Modulen bzw. Stecker-PV-AnlagenFoto: bht2000 / stock.adobe.com
Für Balkonsolaranlagen könnten im Jahr 2023 einige weitere Hürden fallen.
Das Jahr 2023 könnte einen erheblichen Schub für Stecker-PV-Anlagen bringen. Es steigt nicht nur massiv das Interesse der Kund:innen. Zu­dem kann es künftig wesentlich einfacher sein, die Anlagen anzuschließen. Und außerdem könnten nach einem Votum der Clearingstelle EEG|KWKG auch Einspeisevergütungen für Strom aus den Balkon- und anderen Mini-PV-Anlagen fließen.

Ein wachsende Zahl an Haushalten will mit kleinen, derzeit maximal 600 Watt starken Mini-PV-Anlagen, die sie in der Regel per Stecker mit ihrem häuslichen Stromnetz verbinden, selbst Strom erzeugen. Das zeigt etwa der Zulauf bei kommunalen Förderprogrammen. So richte sich ein großer Teil der Anträge für das Anfang 2023 gestartete Klimaförderprogramm des Kreises Minden-Lübbecke auf die Stecker-PV-Anlagen, berichtet Pia Driftmann, eine der Klimaschutzmana­ger:innen des Kreises.

Dabei gibt es bislang noch einige Hürden, die die Betreiber:innen überwinden müssen, zumindest wenn sie sich ganz regelkonform verhalten wollen. Doch einige dieser Hürden wackeln.

Hürde 1: Einspeisesteckdose?

Der größte Teil der Netzbetreiber verlangt bislang die Verbindung von Stecker-Solaranlage und häuslichem Stromnetz entweder über eine feste Verkabelung oder eine spezielle Energiesteckdose. Das erfordert die Installation dieser Steckdose und bedeutet für die Betreiber:innen der kleinen Anlagen einen relativ hohen Aufwand.

Auch der kürzlich vorgelegte Entwurf einer Norm für Stecker-PV-Anlagen – die Vornorm – enthielt als Anforderung die Festverkabelung oder die spezielle Energiesteckdose. Auf die sonst üblichen Schuko-Steckdosen geht der Normentwurf nur in zusätzlichen Anmerkungen ein. Und im Normungsgremium gab es offenbar eine Pattsituation, weil einige Mitglieder sich gegen die Schuko-Dose auch für Mini-PV-Anlage sperren. Sie führen Sicherheitsbedenken an, deren Relevanz die andere Fraktion in der Praxis bezweifelt. Jedenfalls dann, wenn bei der Anlagentechnik bestimmte Kriterien eingehalten werden.

Auf der Seite von Netzbetreibern und der Befürworter spezieller Energiesteckdosen stand bisher der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE). Er organisiert auch den Normungsprozess. Doch nun hat der VDE mit einem Positionspapier selbst Bewegung in den Prozess gebracht. So kann der Verband sich nun – in Kombination mit technischen, nicht umstrittenen Anforderungen – vorstellen, den Schuko-Stecker zu dulden. Dabei erklärt VDE-Pressesprecherin Vanessa Rothe gegenüber den Solarthemen, das Positionspapier solle auch einen Impuls für das weitere Normungsverfahren liefern. Auch dieser Punkt des Steckers könne darin aufgenommen werden. „Am Ende entscheidet das Normungsgremium”, so Rothe: „Wir sind eher die Moderatoren.”

Der VDE habe schon kurz nach Veröffentlichung der Vornorm begonnen am Positionspapier zu arbeiten, berichtet Rothe. Ein Grund war möglicherweise auch die Kritik, die direkt nach der Veröffentlichung an der Vornorm geäußert wurde. Es war also offenbar nicht die Äußerung von Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller, die den VDE angesport hätte. Müller hatte auf seinem privaten Twitter -Kanal am 29. Dezember 2022 erklärt: „Bei Balkon-#Solarmodulen reicht nach @BNetzA-Einschätzung ein einfacher #Stecker, wenn zertifizierte #Wechselrichter vorhanden sind. Für 2023 gilt der #Neujahrsvorsatz: weniger Bürokratie, dafür mehr Freude an der #Energiewende bei BürgerInnen & Unternehmen.”

Hürde 2: Leistung der Anlagen?

Bislang sind von der geplanten Norm Stecker-PV-Anlagen bis 600 Watt erfasst. Dieselbe Grenze gilt auch bei der vereinfachten Anmeldung der Anlage beim Netzbetreiber. Der VDE regt nun an, sich an EU-Richtlinien zu orientieren und die Leistungsgrenze auf 800 Watt auszudehnen.

Es ist aber zudem durchaus vorstellbar, auch größere PV-Anlagen an ein Wohnungsstromnetz anzuschließen. Darüber hatte die Clearingstelle EEG|KWKG in einem Votumsverfahren zu entscheiden. Zu beachten ist dabei, dass es um einen speziellen Fall ging, also nicht eine generelle Auslegungsfrage des EEG. Hier hatte ein Betreiber mit technischen Kenntnissen eine insgesamt 1,5 Kilowatt starke PV-Anlage über eine Energiesteckdose (Wieland) an sein Hausnetz angeschlossen. Im Votumsverfahren ging es um die Vergütung des Stroms. Die Clearingsstelle erklärte aber auch in diesem Fall, dass der Anschluss zulässig sei. Allerdings musste ein vom Netzbetreiber zugelassener Elektriker bestätigen, dass die Anlage den technischen Vorgaben des Netzbetreibers entspreche. Außerdem war in diesem Fall nicht mehr von einem vereinfachten Meldeverfahren auszugehen.

Der VDE bevorzugt selbst auch die Installation einer Stecker-PV-Anlage durch das Fachhandwerk. Nur so bestehe die Möglichkeit, die Installation auf Tauglichkeit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Kennzeichen der Stecker-PV-Anlagen soll aber laut Norm sein, dass jede:r Verbraucher:in sie eigenständig in Betrieb nehmen kann. Inhalt der Norm ist daher auch die Pflicht, gute Betriebsanleitungen hinzuzufügen und alle Komponenten sicher für die Betreiber:innen und deren Umfeld zu konstruieren.

Allerdings spricht sich der VDE in seinem Positionspapier auch dafür aus, die Chance von Energiesteckdosen in Kooperation mit dem Handwerk zu nutzen, um auch stärkere PV-Anlagen auf diesem Weg anzuschließen. Wie Rothe gegenüber den Solarthemen erklärte, seien hierzu aber noch keine näheren Aussagen zu treffen. Der VDE sehe es als Erfolg, dass es überhaupt Plug & Play bei PV-Anlagen gebe.

Hürde 3: Vergütung der Anlagen?

Viele Netzbetreiber ermöglichen inzwischen ein vereinfachtes Anmeldeverfahren. Sie verknüpfen dies aber häufig mit der Forderung, Anlagenbetreiber:innen von Mini-PV-Anlagen sollten auf die Vergütung für eventuell eingespeisten Strom verzichten. Gleichzeitig verlangen sie den Einsatz eines Zweirichtungszählers. Und mancher Netzbetreiber stellt die höheren Kosten dafür sogar in Rechnung, während andere den Zähler auf eigene Kosten tauschen und keine höheren Gebühren verlangen. Hier könnte sicherlich der Gesetzgeber für Klarheit sorgen.

Dabei geht es in der Regel um niedrige Beträge. Da der Gesetzgeber aber auch das Einkommensteuerrecht für Betreiber:innen von PV-Anlagen in diesem Jahr deutlich vereinfacht hat, spricht nichts gegen eine Vergütung auch kleiner Anlagen. Grundsätzlich stehen jedenfalls auch den Betrei­ber:innen von kleinen PV-Anlagen die jeweiligen Einspeisevergütungen zu. „Bei Vorliegen der Vergütungsvoraussetzungen nach dem EEG besteht auch bei Anlagen, die nach dem vereinfachten Anmeldeverfahren für Plug-in-PV bis 600 W installierter Leistung angemeldet wurden, ein Vergütungsanspruch nach dem EEG für den in das Netz für die allgemeine Versorgung eingespeisten Strom”, sagt Natalie Mutlak von der Clearingstelle: „Eine Ausnahme lässt sich dem EEG jedenfalls nicht entnehmen.”

Hürde 4: Komplizierte Verfahren

Die nächste Vereinfachung kann im Abbau weiterer bürokratischer Hürden liegen. Für die Betreiber:innen kleiner Anlagen ist es nicht leicht zu überblicken, welche Regeln sie einzuhalten haben. Derzeit müssen sie die Mini-PV-Anlage sowohl beim Marktstammdatenregister als auch beim Netzbetreiber anmelden. Der VDE regt in seinem Positionspapier an, die Zahl der An­mel­- dungen auf eine zu reduzieren. Diese solle beim Marktstammdatenregister erfolgten und die Netzbetreiber sollten dort auf die Daten zugreifen.
Eventuell wäre es auch umgekehrt denkbar. Vielen Haushalten wird der Netzbetreiber eher bekannt sein als das Markststammdatenregister. Wie auch immer eine vereinfachte Anmeldung ausgestaltet sein wird: Eine solche Forderung hat auch schon der Bundestag vor wenigen Monaten in einer Entschließung ausgesprochen und die Regierung aufgefordert, dazu Vorschläge vorzulegen.

„Die Frage, inwieweit es bei Anmeldungen von steckerfertigen PV-Anlagen zu weiteren Vereinfachungen kommen kann, wird geprüft”, erklärt Michael Reifenber, Pressesprecher der Bundesnetzagentur gegenüber den Solarthemen. In etlichen Regelungsbereichen seien für steckerfertige PV-Anlagen bereits einfache Vorgaben erarbeitet worden. Sowohl bei den Anschlussnetzbetreibern als auch im Marktstammdatenregister sei der Anmeldeprozess für diese Einheiten bereits vereinfacht.

Müller, der Chef der Bundesnetzagentur, twitterte am 11. Januar 2023 noch einmal zum Thema: „Gut, dass @VDE_Group und @bnetza der Wille eint, den Betrieb von #Solaranlagen zu vereinfachen. Höhere Bagatellgrenzen und Akzeptanz des Schukosteckers gehen in die richtige Richtung!”

Sollten sich die beschrieben Trends tatsächlich fortsetzen, bestehen gute Aussichten, dass im Jahr 2023 der Turbo für die kleinen Stecker-PV-Anlagen zünden könnte.

20.1.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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