© AEE Intec / Pressegespräch in Gleisdorf
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Zehn Demoprojekte zeigen, wie Ausstieg aus fossilen Energien im Fernwärmesektor gelingt

Ein großartiges Beispiel: „Fernwärme aus Abwasser“ in Gleisdorf

Die energiepolitische Entwicklung zeigt, dass wir unsere Abhängigkeit von fossiler Energie rasch beenden müssen. Rund 50 Prozent des österreichischen Energiebedarfs wird im Wärmesektor benötigt, 60% kommen hier derzeit aus fossilen Energien. Auch die österreichische Fernwärmeversorgung basiert aktuell noch zur Hälfte auf fossilen Energieträgern, weshalb der Umstieg vorangetrieben werden muss.

Den notwendigen Transformationsprozess zu unterstützen und neue Technologien und Lösungen in Fernwärmenetzen zu demonstrieren, war das große Ziel des Großforschungsprojekts ThermaFLEX, das von AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC) aus Gleisdorf geleitet und koordiniert wurde. Gefördert wurde es von der FTI-Initiative „Vorzeigeregionen Energie“ des Klima- und Energiefonds – dotiert aus Mitteln des Klimaschutzministeriums. Mit einem Fördervolumen von knapp 8 Millionen Euro ist ThermaFLEX eines der größten Projekte der "Vorzeigeregion Energie" und das bisher größte Innovationsprojekt im österreichischen Fernwärmesektor.

Lösungen zur Dekarbonisierung von Wärmenetzen

Biomasse ist von den Ressourcen her begrenzt, darum braucht es für einen vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern auch andere Energieträger und Wärmequellen, wie z.B. die Nutzung unterschiedlicher Abwärmequellen, Großwärmepumpen, Solarthermie, Geothermie, Power-to-Heat, Sekundärbrennstoffe und in bestimmten Anwendungsfällen auch grünes Gas. Die Nutzung lokaler Ressourcen macht eine verstärkte Dezentralisierung des gesamten Fernwärmesektors notwendig.

Großtechnische Lösungen in 7 städtischen Fernwärmenetzen demonstriert

Gemeinsam mit einem Team von 28 Partnern wurden anhand von 10 groß-technischen Demonstrationsprojekten in 7 städtischen Fernwärmenetzen Österreichs (in der Steiermark, in Salzburg und Wien) die Zukunft der Fernwärmenetze von morgen erprobt.

Sieben der zehn Demoprojekte sind bereits in Betrieb:

• Abwärmenutzung aus der Therme Wien in Kombination mit 2 Kompressionswärmepumpen und Einspeisung von 2,2 MW in Sekundärnetz der Fernwärme Wien
• Industrie-Abwärmenutzung durch 8 MW Absorptionswärmepumpe in Hallein und Einspeisung in das Fernwärmenetz der Stadt Salzburg
• Großsolarthermieanlage über 3,5 MW und Speicherintegration im Fernwärmenetz Mürzzuschlag
• Erneuerbare Wärme (460 kW) und Kälte (430 kW) aus dem Wien-Kanal durch den Einsatz von Kompressionswärmepumpen
• Abwärmenutzung aus Rauchgas (410 kW) und Speicherintegration im Fernwärmenetz Saalfelden
• Ausstieg aus der Wärmeversorgung mit Erdgas durch Nutzung von bis zu 4 MW fluktuierender Industrie-Abwärme und bidirektionaler Kopplung zweier Fernwärmenetze in Leibnitz; Smarte Regelung
• Nutzung des Wärmeinhalts des Ablaufs der kommunalen Kläranlage in Kombination mit Kompressionswärmepumpe (800 kW) sowie Nutzung des verfügbaren Biogases aus Faulturm der Kläranlage und Einspeisung in Fernwärmenetz der Stadt Gleisdorf; Netztemperaturabsenkung u.a. durch Versorgung aus dem Netzrücklauf; Smarte Regelung

Damit konnten vielschichtige Wege gezeigt werden, wie man der aktuellen Energiekrise als auch dem Klimawandel trotzt. Weiter wurde aufgezeigt, dass solche Umsetzungen auch in kurzer Zeit möglich sind.

Beispielhafte Demonstrationsanlage „Fernwärme aus Abwasser“ in Gleisdorf

In Gleisdorf wurden zukünftige Wärmebedarfsszenarien und strategische Entwicklungspläne unter Einbeziehung aller relevanten und verfügbaren Wärmequellen für das Wärmenetz der Stadt erstellt und in konkreten Beispielen bereits umgesetzt.

Die Sektorkopplung mit der Kläranlage ist dabei ein zentrales Element und stellt die Startmaßnahme für die Implementierung einer Energie-Drehscheibe am Standort der Kläranlage dar. Die Stadtwerke Gleisdorf haben gemeinsam mit dem Abwasserverband Gleisdorfer Becken das Projekt „Fernwärme aus Abwasser“ realisiert und im Rahmen dieser Maßnahme eine neue Heizanlage errichtet. Das gereinigte Abwasser sowie das Biogas aus dem Faulturm der Kläranlage sorgen hier seit Dezember 2022 für klimaneutrale Fernwärme und unterstützen das Bestreben, die lokalen Treibhausgasemissionen massiv zu reduzieren.


"Um die Energiewende noch weiter zu beschleunigen, brauchen wir auch innovative Lösungen. Gerade im Wärmesektor gibt es dabei großes Potential. Hier in Gleisdorf zeigen wir eindrucksvoll vor, wie die Fernwärme in einer klimaneutralen Zukunft aussieht“, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

„In der neuen Anlage wird aus dem gereinigten Abwasser, welches nachfolgend in die Raab eingeleitet wird, die noch ungenutzte Wärme mittels einer 800 kW Großwärmepumpe entzogen. Diese nimmt die Abwärme aus dem Abwasser bei einer mittleren Temperatur von rund 15 Grad Celsius auf und produziert daraus Fernwärme mit bis zu 85Grad Celsius. Das in den Prozessen der Kläranlage entstehende Biogas wird ebenfalls vollständig umgewandelt und wird somit zukünftig als wertvolle Wärmenergie genutzt und speziell im Sommerhalbjahr bei Überschuss nicht mehr ungenutzt abgefackelt. Weiters wird das gereinigte Abwasser abgekühlt und ergibt aus ökologischer Sicht eine Verbesserung für die Wasserqualität der Raab“ erklärt Erich Rybar, Geschäftsführer der Stadtwerke Gleisdorf.

Mit dieser Anlage werden nun jährlich rund 4.000 Megawattstunden Wärmeenergie klimaneutral für rund 330 Haushalte in der direkten Umgebung erzeugt und führen zu einer Einsparung von rund 1.000 Tonnen CO2. Auch der zum Betrieb der Wärmepumpe notwendige Strom wird klimaneutral im naheliegenden und neu revitalisierten Wasserkraftwerk erzeugt.

„ Zur aktiven Erreichung der Klimaneutralität wollen wir genau solche Leuchtturmprojekte wie „Fernwärme aus Abwasser“ umsetzen, um unsere Ziele rasch zu erreichen. Das Projekt ist für mich gelebte Kreislaufwirtschaft, ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz und ein wichtiger Schritt für mehr Unabhängigkeit in unserer Fernwärmeproduktion. Basierend auf dem Prinzip mit Ressourcen aus der Region Fernwärme für die Menschen in der Region zu generieren, wollen wir in den nächsten Jahren den Fernwärmeausbau verdreifachen.
Gleichzeitig bin ich stolz, mit AEE INTEC und Stadtwerke Gleisdorf derart innovationsstarke Unternehmen in unserer Stadt verfügbar zu haben“, betont Bürgermeister Christoph Stark.

Weitere umgesetzte Innovationen im Fernwärmenetz Gleisdorf sowie Ausbaupläne

Maßnahmen zur Senkung der Systemtemperaturen sowie die Erweiterung der Wärmeversorgung in Kombination mit dem Netzausbau und dem Anschluss neuer Kunden wurden durch konsequente Anwendung der Energieraumplanung unterstützt. Dabei wurde ein alternatives Niedertemperaturversorgungskonzept, das eine kaskadische Wärmenutzung aus dem Fernwärmerücklauf erlaubt, entwickelt und bei einem Mehrfamilienhaus mit 10 Wohneinheiten realisiert. Hier erfolgt die Wärmeversorgung über eine Fußbodenheizung. Die Vorlauftemperatur von maximal 40 Grad Celsius kann so aus dem Fernwärmerücklauf sichergestellt werden. Solche Schaltungen erlauben es, dass bei einer multiplen Anwendung die Netzrücklauftemperatur nachhaltig abgesenkt, die Wärmeverluste reduziert und die über das bestehende Netz übertragbare Leistung effektiv erhöht werden kann.

Zusätzlich wurde eine für Wärmenetze neuartige „Smarte Regelung“ entwickelt. Diese vereint die neuen technischen Maßnahmen mit den Bestandsanlagen und erlaubt so eine vorausschauende optimierte Steuerung der Wärmeerzeuger. Die Maßnahmen führen, gemeinsam mit Optimierungen zu stark reduzierten Systemtemperaturen und erhöhen so die Flexibilität im Wärmenetz. Dieses basiert daher künftig weitgehend auf erneuerbaren Energiequellen (Biomasse, Solarthermie, Abwärme aus Abwasser und Biogas).

Der Ausbau der Fernwärme in Gleisdorf ist ein wichtiger Eckpfeiler im Klimaschutzplan der Stadtgemeinde. Die aktuelle Anschlussleistung von rund 8 MW, soll in den nächsten vier Jahren verdreifacht werden. Rund 300 Neuanschlüsse im Wohnbereich sowie etwa 60 Anschlüsse im Gewerbe- und Industriesektor sind geplant. Der Ausbau erneuerbarer Wärmeerzeugungsanlagen ist ebenfalls in Planung.

ThermaFLEX: Das bisher größte Forschungsprojekt im österreichischen Fernwärmesektor

Mit einem Fördervolumen von knapp 8 Millionen Euro für das Forschungsprojekt und spezifische Investitionsförderung in 3 Demonstrationsanlagen ist ThermaFLEX eines der größten Projekte der "Vorzeigeregion Energie" und das bisher größte Innovationsprojekt im österreichischen Fernwärmesektor. Der Gleisdorfer Bereich erhält davon rund 900.000 Euro.

Das Projekt ist Teil der Forschungsinitiative „Green Energy Lab“ und damit Teil der Innovationsoffensive „Vorzeigeregion Energie“. Es zeigt, dass eine Energieversorgung von bis zu 100 % erneuerbaren Energien mit Innovationen aus Österreich machbar, wirtschaftlich sinnvoll und ökologisch vorteilhaft ist. Erklärtes Ziel ist, diese Innovationen "Made in Austria" rasch marktreif zu machen und die dazu notwendigen Technologien in die ganze Welt zu exportieren.

Dieses Ziel wurde im Rahmen von ThermaFLEX bisher in 7 Demonstrationsanlagen erreicht. Wenn alle zehn Projekte umgesetzt sind, ergibt das eine jährliche CO2-Einsparung von rund 45.000 Tonnen.

„Mit unserer FTI-Initiative ,Vorzeigeregion Energie‘ fördern wir Innovationen mit hohem Multiplikationspotenzial, die rasch in die Umsetzung gehen und sofort Klimawirkung erzielen. ThermaFLEX trifft mit den erreichten Ergebnissen diese Programmziele auf den Punkt“, so Bernd Vogl, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds.



„Mit dem Projekt ThermaFLEX ist es ausgezeichnet gelungen, die Nahtstelle zwischen Forschung und Umsetzung zu bearbeiten. Wir wissen aus Erfahrung, dass es immer eine Herausforderung ist neue Technologien bzw. Systemlösungen in die Umsetzung zu bringen. Durch den interdisziplinären Projektansatz sowie punktuell erhöhter Investitionsförderungen konnte diesbezüglich den Herausforderungen sehr gut begegnet werden und in punkto Umsetzungsgeschwindigkeit großtechnischer Maßnahmen wurden neue Meilensteine gesetzt. ThermaFLEX kann hier Role-Model sein und Inspiration geben sowohl für die gesamte Fernwärmebranche als auch bei der Neugestaltung von Forschungs- und Umsetzungsprogrammen durch die öffentliche Hand“, betont Christian Fink, Geschäftsführer von AEE INTEC.



Weitere Infos:

thermaflex.greenenergylab.at

greenenergylab.at


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /