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Auseinandersetzung um LNG-Terminal: RWE drückt vor Rügen aufs Gas

Der Streit um neue Flüssiggas-Terminals verschärft sich. Vor Rügen soll RWE ohne Rechtsgrundlage schon mit Arbeiten für das neue Riesen-LNG-Terminal begonnen haben. Dieses würde Deutschlands Überkapazitäten weiter erhöhen, macht eine neue Studie deutlich.

Rätselraten auf der Ostseeinsel Rügen. Am Samstag soll dort nach Informationen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Offshore-Arbeitsplattform „JB119“ vor dem Badeort Sellin in Ostrügen eingetroffen sein. Ein auf Kampfmittelräumung spezialisierter Schwimmbagger sei zudem in den Küstengewässern aktiv.

Aus Sicht der Umweltorganisation bleibt unklar, ob mit den Geräten nur Bodenerkundungen oder bereits Baggerarbeiten für das neue Flüssigerdgas-Terminal durchgeführt wurden. Die Arbeitsplattform sei jedenfalls für schwere Arbeiten und auch für das Bohren ausgerüstet, so die DUH.

Ein RWE-Sprecher erklärte laut Medienberichten, die Plattform „JB119“ bewege sich lediglich im Rahmen von Erkundungsarbeiten. Diese seien vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt genehmigt. Bei Offshore-Projekten sei eine sorgfältige Prüfung der Bodenbeschaffenheit und des Untergrunds üblich, so der Sprecher. Dabei werde das Gebiet auch auf Weltkriegsmunition untersucht.

Laut DUH hat der RWE-Konzern jedoch für die Arbeiten keine Genehmigung vom zuständigen Bergamt Stralsund. Die Umwelthilfe habe deswegen Widerspruch eingelegt. „RWE bleibt seinem Ruf treu und scheint den Bau des LNG-Terminals vor Rügen ohne Rücksicht auf Verluste durchzuziehen“, sagte DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.

Dass die Arbeiten während der Vogelrastzeit und der Laichzeit der Heringe stattfänden, sei naturschutzrechtlich unhaltbar, so Müller-Kraenner. Noch sei auch gar nicht klar, ob RWE überhaupt eine Genehmigung für Bauarbeiten erhalten werde. Die DUH forderte das Bergamt auf, dem Unternehmen die Arbeiten sofort zu untersagen und auch zu prüfen, ob es strafrechtliche Ermittlungen wegen rechtswidrigen Eingriffs in Schutzgebiete geben müsse.

Nach massiven Protesten auf Rügen in den letzten Wochen kritisiert inzwischen auch die Landespolitik das geplante Mega-Terminal in Sichtweite der Küste. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte dem Sender NDR, für ein weiteres LNG-Terminal neben dem schon bestehenden in Lubmin bei Greifswald werde ein Standort gebraucht, der zum Tourismus und zur Umwelt passe und der auf Akzeptanz stoße.

Schwesig sprach sich gegen den jetzigen küstennahen Standort aus. Es müssten Alternativen geprüft werden, indem man weiter ins Meer gehe und eine längere Leitung zum Festland baue.

„Klimapolitisch untragbar“

Die DUH macht bei ihrer Kritik nicht nur Naturschutzbedenken geltend. Ohne das Vorliegen einer Gasmangellage sieht sie auch keinen energiewirtschaftlichen Bedarf für das „Monster-Terminal“ von RWE.

Zum künftigen Bedarf für Flüssigerdgas-Terminals hatte Ende Februar das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) in Köln im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums eine Studie vorgelegt. Kurz danach veröffentlichte das Ministerium einen eigenen LNG-Bericht.

Beide Veröffentlichungen sind nun vom renommierten Kölner New Climate Institute analysiert und eigenen Berechnungen gegenübergestellt worden. Danach kommen das Haus Habeck wie auch das EWI zu deutlich geringeren LNG-Importkapazitäten, weil Laufzeiten und Kapazitäten einzelner Terminals kleiner angegeben werden, als technisch möglich wäre. Das erschwere eine „belastbare Bedarfsanalyse“, so der Thinktank.

Generell sei der Planungsstand der Terminals nach wie vor nicht transparent, besonders am Standort Rügen/​Lubmin, bemängelt das New Climate Institute. Technisch sei an diesem Standort die Abnahme von bis zu 38 Milliarden Kubikmetern Gas möglich.

Bislang landet dort nur die Deutsche Regas über ein schwimmendes Terminal im Industriehafen Lubmin Flüssigerdgas an. Mitte 2024 will die Firma den Flüssiggas-Import nach eigenen Angaben auf 13,5 Milliarden Kubikmeter steigern. Die „restliche“ Kapazität soll dann offenbar mit dem von RWE-Riesenterminal ausgeschöpft werden.

Klimapolitisch hält das New Climate Institute die deutschen LNG-Pläne weiterhin für untragbar. Bereits die Treibhausgase aus der Verbrennung des per Pipeline aus Nachbarländern importierten und des in Deutschland selbst gefördert Erdgases füllten den größten Teil des laut Klimaschutzgesetz zulässigen Emissionsbudgets aus, schreiben die Autoren in ihrer Bewertung. Die neuen und geplanten Terminals erhöhten deutlich das Risiko, dass Deutschlands Gesamtziel – Klimaneutralität 2045 – außer Reichweite gerät.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2023 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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