ETH-Studie: Wo sollen Windenergie-Anlagen in der Schweiz stehen?

Zu sehen ist eine Landkarte, die die optimale Verteilung von Windkraftstandorten gemäß dem aktuellen Windenergie-Konzept der Schweiz zeigt.Grafik: Reto Spielhofer / ETH Zürich
Optimale Verteilung von Windkraftstandorten gemäß dem aktuellen Windenergie-Konzept der Schweiz. Orange Kreise: große Windturbinen im Mittelland. Violette Quadrate: mittelgroße Anlagen in den Voralpen und im Jura. Türkise Dreiecke: kleinere Anlagen in den Alpen.
Laut einer Studie von ETH-Forschenden sollte die Schweiz die Nutzung von windstarken Agrarflächen im westlichen Mittelland für Windenergieanlagen erwägen. Denn dann sind nur wenige Windenergieanlagen in den Alpen notwendig.

Laut Windenergie-Konzept will die Schweiz bis 2050 rund sieben Prozent des Stroms mit Windenergie decken. Gemäß Energiestrategie sind dies rund 4,3 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Von diesem Ziel ist die Schweiz heute noch weit entfernt. Die knapp 40 bestehenden Windanlagen produzieren lediglich 0,14 TWh und damit 0,3 Prozent des Stroms. Die Politik will nun den Ausbau der Windkraft beschleunigen. Vor allem im Winter, wenn Photovoltaikanlagen und Wasserkraftwerke nicht ausreichen, um den hohen Bedarf zu decken, soll der Strom aus Windturbinen eine Mangellage vermeiden. Doch wo sollte man den Windstrom in der Schweiz am besten erzeugen? In den Alpen, im flachen Mittelland, oder aber in den Voralpen und im Jura?

Eine Studie von ETH-Forschenden um Adrienne Grêt-Regamey, Professorin für Planung von Landschaften und Urbanen Systemen (PLUS), zeigt unterschiedliche Szenarien auf, wie Windkraftanlagen regional verteilt werden könnten, um das Ziel der Energiestrategie 2050 so effizient wie möglich zu erreichen.

Die Studienautor:innen berücksichtigen dabei erstmals auch Flächen, auf denen aktuell keine Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. „Indem wir besonders gutes Ackerland, sogenannte Fruchtfolgeflächen, im windstarken Mittelland neben der Nahrungsmittelproduktion auch für die Erzeugung von Windstrom nutzen würden, müssten wir deutlich weniger Windkraftanlagen im alpinen Raum bauen“, sagt Grêt-Regamey.

Windenergie-Konzept erfordert rund 760 Windturbinen in der Schweiz

Das Referenzszenario der Studienautoren orientiert sich am gültigen Windenergie-Konzept der Schweiz, das mögliche Räume zur Nutzung von Windenergie definiert. So darf man etwa in Wäldern, auf Fruchtfolgeflächen und im Umkreis von schützenswerten Ortsbildern keine Windkraftanlagen bauen.

Um im Jahr 4,3 TWh Windstrom zu erzeugen, bräuchte es in diesem Szenario rund 760 Windturbinen. Bei ihren Berechnungen gehen die Forschenden davon aus, dass man möglichst wenig Windturbinen an möglichst wenigen, besonders windstarken Orten baut.

Da es weder sinnvoll noch technisch möglich ist, an allen Standorten die gleichen Anlagen zu bauen, berücksichtigt die Studie für die Alpen eher kleine (100 Meter hoch, 39 Meter Rotorradius), für die Voralpen und den Jura mittelgroße (125 Meter hoch, 67 Meter Rotorradius) und für das flache Mittelland die größten und leistungsstärksten Windturbinen (150 Meter hoch, 73 Meter Rotorradius). Dabei gilt: Eine große Anlage in der Ebene des Mittellandes erzeugt bei voller Auslastung über doppelt so viel Strom, wie eine kleine Anlage in den Alpen.

Starker Ausbau in den Alpen notwendig

Von den rund 760 Windturbinen befänden sich 40 Prozent in den Bündner und Walliser Alpen. Diese 300 kleinen Anlagen würden aber nur gegen 20 Prozent der Jahresleistung produzieren. „Dies ist nicht optimal, da die Bau- und Betriebskosten von Windanlagen in den Bergen tendenziell höher sind als in der Ebene. Zudem empfindet die Schweizer Bevölkerung Windanlagen in unberührten, alpinen Naturlandschaften als besonders störend“, so Grêt-Regamey.

Rund die Hälfte der 4,3 TWh würde man durch zirca 260 der größten Anlagen in den Ebenen des Mittellandes produzieren. 80 Prozent davon befänden sich in den Kantonen Bern, St. Gallen, Luzern und Fribourg. Die verbleibenden 30 Prozent des bis 2050 jährlich geplanten Windstroms würde man durch rund 180 Anlagen in den Voralpen decken. Ein Großteil dieser würden in den Kantonen Bern, Fribourg, St. Gallen und Appenzell-Ausserrhoden stehen.

Basierend auf diesen Berechnungen haben die Forschenden eine Karte erstellt, welche die ungefähre Verteilung der Windanlagen zeigt. „Die Punkte sollten als nationale Fokusgebiete und nicht als genaue Standorte für Windturbinen gelesen werden“, sagt Reto Spielhofer, der Erstautor der Studie, der auch in der Forschungsgruppe von Grêt-Regamey forscht.

Dank Fruchtfolgeflächen 300 Windturbinen weniger

Die Studie der ETH-Forschenden untersucht auch, welche Auswirkung eine Lockerung raumplanerischer Vorgaben auf die regionale Verteilung von Windkraftanlagen hätte. So nehmen sie in einem Szenario an, dass man auch Fruchtfolgeflächen für die Windkraft nutzen darf. „Uns ist bewusst, dass die Nutzung dieser Flächen äußerst umstritten ist, da es sich um sehr gutes Agrarland handelt, das hohe landwirtschaftliche Erträge abwirft“, sagt Grêt-Regamey.

Nichtsdestotrotz wollten die Forschenden aufzeigen, welche Spielräume sich beim Ausbau der Windkraft ergeben, wenn man Fruchtfolgeflächen vor allem dort nutzen könnte, wo der Wind häufig und stark weht. Im Vergleich zum Referenzszenario wären schweizweit rund 300 Windturbinen weniger notwendig, um den geplanten Windstrom im Umfang von 4,3 TWh pro Jahr zu erzeugen. „Lockern wir die Raumplanungsvorschriften für Fruchtfolgeflächen, bräuchten wir in den Bündner und Walliser Bergen knapp 200 Windanlagen weniger als im Referenzszenario“, so Grêt-Regamey.

Nur etwas mehr als drei Prozent des jährlichen Zieles von 4,3 TWh Windstrom müsste man in den Alpen und weniger als ein Prozent in den Voralpen und im Jura produzieren. Über 96 Prozent würden hingegen von den grössten Turbinen in den Ebenen – vor allem im Westschweizer Mittelland – stammen. Von den insgesamt rund 460 Windturbinen in diesem Szenario befänden sich knapp über 40 Prozent im Kanton Waadt und je etwa 13 Prozent in den Kantonen Fribourg und Bern.

20.3.2023 | Quelle: ETH Zürich | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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