© Kai Stachowiak - pixabay.com
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CETA und TTIP im Brennpunkt

Umwelt-NGOs unda andere sehen erhebliche negative Konsequenzen für Umwelt und Lebensmittel durch den EU-Kanada-Handelspakt - - Ökonomische Effekte, ökologische Auswirkung und soziale Kosten strittig

Wien - Der Widerstand in Österreich gegen die Freihandelsabkommen der EU mit Kanada und den USA, CETA und TTIP, ist groß. KritikerInnen meinen, dass die hohen österreichischen Lebensmittelstandards in Gefahr geraten und der Privatisierungsdruck, vor allem im Bereich der kommunalen Dienstleistungen, erheblich steigen wird. Außerdem könnten dem österreichischen Staat durch Investitionsschutzklauseln Klagen internationaler Großkonzerne gegen missliebige Gesetze drohen. Es scheint, dass die TTIP-Verhandlungen nicht, wie ursprünglich von der EU-Kommission erhofft, noch heuer abgeschlossen werden . Der CETA-Vertrag liegt jedoch ausverhandelt auf dem Tisch und könnte in Teilen schon in Kürze angewendet werden. Welche negativen Konsequenzen dadurch drohen könnten, aber auch welche Chancen CETA und TTIP für das Exportland Österreich bieten, damit befasste sich heute eine Parlamentarische Enquete des Nationalrats. Für CETA warb der kanadische Botschafter Mark E. Bailey, während sich Bundeskanzler Christian Kern nach wie vor skeptisch zeigte.

Eröffnet wurde die Enquete von Nationalratspräsidentin Doris Bures, die betonte, dass es Aufgabe der Abgeordneten sei, die Chancen und Risiken von TTIP und CETA abzuwägen. Es gehe auch darum, die Mitwirkungsrechte des Parlaments und die Transparenz des Verhandlungsprozesses sicherzustellen. Die Enquete sei, so Bures, ein weiterer Baustein in dem bereits jahrelangen Diskussions- und Meinungsbildungsprozess. Der Nationalrat hat bereits im September 2014 eine Entschließung zu CETA und TTIP gefasst und dabei befürchtet, dass es durch die Abkommen zu einer Absenkung europäischer Standards kommen könnte, und die Sinnhaftigkeit eigener Sonderklagsgerichte in Frage gestellt.

Bundeskanzler Kern: CETA hat drei gravierende Schwächen

Bundeskanzler Christian Kern stellte die Handelsabkommen CETA und TTIP in einen größeren Zusammenhang. Die "Phase massiv beschleunigter Globalisierung" in den letzten Jahren und Jahrzehnten habe zwar beachtliche Wohlstandseffekte gebracht, trotzdem funktioniert die Verteilung in Europa aber nicht so wie erwartet, mahnte er. Die EU sei vor 60 Jahren mit zwei Versprechen angetreten: Sicherheit und Wohlstand. Das zweite Versprechen sei aber brüchig geworden. Der Bundeskanzler sieht es als Aufgabe der Politik, darauf entsprechend zu reagieren, sonst würden radikale Kräfte das Projekt Europa von innen zersetzen, warnte er.

Österreich habe, soviel sei fix, unbestritten von Freihandel und offenen Grenzen profitiert. CETA sei auch das beste Handelsabkommen, das die EU jemals abgeschlossen habe, unterstrich Kern. Dennoch sind einige Grundsatzprobleme offen geblieben, vor allem in drei Bereichen sieht er Nachbesserungsbedarf. Kern fürchtet etwa, dass die vorgesehenen Investitionsschutzgerichte zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse von der Politik zu Gerichten führen werden, auch wenn man mittlerweile von der Idee klassischer Schiedsgerichte Abstand genommen habe. Außerdem erwartet er einen deutlich steigenden Druck auf die Privatisierung und Deregulierung von Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge sowie eine Stärkung internationaler Konzerne zu Lasten der Politik und der Parlamente durch die besondere Betonung ökonomischer Standards.

Mitterlehner will CETA nicht mehr aufschnüren

Anders als Kern meint Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, er sei nicht dafür, CETA noch einmal aufzuschnüren. CETA sei ein fertig ausverhandeltes Abkommen, von dem nicht nur die Industrie, sondern vor allem auch kleine und mittlere Betriebe sowie die Landwirtschaft profitieren werden. Er wies auch darauf hin, dass die Exportwirtschaft einen Anteil von 60% am BIP habe und damit zehntausende Arbeitsplätze betroffen seien.

Die von Kern geäußerten Bedenken teilt er nicht, da im Bereich des Investitionsschutzes nun internationale Handelsgerichtsverfahren mit professionellen Richtern und Berufungsmöglichkeiten vorgesehen seien. Auch seien keine Standards in Gefahr, da das "right to regulate" ausdrücklich im Abkommen verankert wurde. Es werde auch niemand gezwungen, Leistungen im Bereich der Daseinsvorsorge zu privatisieren, etwa was die Wasserversorgung, Pensionen oder Spitäler betrifft. Um den Bedenken der KritikerInnen Rechnung zu tragen, kann sich Mitterlehner eine gemeinsame Erklärung über die Intention einzelner Punkte des Abkommens vorstellen.

Bei TTIP sprach sich Mitterlehner allerdings eindeutig für einen Neustart der Verhandlungen aus. Der Verhandlungsprozess sei nicht transparent genug gewesen, kritisierte er, etliches sei schief gelaufen. Man solle neu durchstarten, um dem entstandenen Misstrauen zu begegnen. Mitterlehner betonte aber, dass er nach wie vor zu einem gut verhandelten fairen Abkommen mit den USA stehe.

Bailey: CETA ist keine Hintertür für TTIP

Der kanadische Botschafter Mark E. Bailey betonte, dass CETA und TTIP nicht miteinander vergleichbar seien und CETA nicht als Vorhut oder Hintertür für TTIP gesehen werden könne. Es gebe massive Unterschiede zwischen den USA und Kanada, etwa bei Arbeitsgesetzen oder beim Sozialsystem. Durch das Abkommen blieben die hohen europäischen und kanadischen Standards, wie z.B. Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte vollends gewahrt. Etliche wichtige Bereiche wie das Gesundheitswesen, das öffentliche Bildungswesen und andere soziale Dienstleistungen seien von CETA ausgenommen. Man habe außerdem sicher gestellt, dass nur KanadierInnen und EuropäerInnen von CETA profitieren können.

Generell betone Bailey, dass CETA nicht einfach irgendein weiteres Handelsabkommen sei, sondern ein neuer Maßstab. Durch das Abkommen würden die langjährigen Beziehungen zwischen Kanada und der EU vertieft und dies kann dazu beitragen, dringend notwendiges Wachstum und Jobs zu schaffen. Baileys warnte auch davor, den immer lauter werdenden Rufen nach Protektionismus im Handelsbereich nachzugeben, gesellschaftliche Spannungen werde man damit nicht lindern, sondern weiter verschlimmern.

Wesner: Mit vereinten Kräften für globale Standards

US-Botschafterin Wesner stellte die gemeinsamen Werte Europas und der USA in den Vordergrund. Diese seien nicht global, sondern laufend in Gefahr. Deshalb sei es unbedingt notwendig, eine gemeinsame Vision von der Zukunft zu haben. Um die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa, schon jetzt die größten in der Welt, weiter auszubauen, sind nach ihrer Meinung geeignete Verträge notwendig. Es wird seit drei Jahren über TTIP verhandelt und man hat essentielle Verhandlungsfortschritte erzielt. Trotz noch bestehender Auffassungsunterschiede in einzelnen Bereichen sollte man asch zu einem Abschluss der Verhandlungen kommen. Die USA seien offen für Diskussionen.

Vorläufige Anwendung von CETA nur in Teilbereichen möglich

Die rechtlichen Grundlagen für die beiden Freihandelsabkommen stellten Andreas Kumin vom Außenministerium und Gerlinde Wagner von der Parlamentsdirektion vor. Beide ExpertInnen betonten, dass es sich bei CETA und TTIP um gemischte Abkommen handelt, für die zwar in weiten Bereichen ausschließlich die EU, in Teilbereichen aber auch die EU-Mitgliedstaaten zuständig sind. Ihrer Einschätzung nach können Teile des bereits ausverhandelten CETA-Abkommens erst nach einer Ratifikation durch das österreichische Parlament in Österreich angewendet werden, zB. Verkehrsdienstleistungen, Investitionsschutzbestimmungen und Steuerfragen. Gänzlich geklärt ist der Umfang der nationalen Zuständigkeiten jedoch nicht, derzeit läuft, im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen der EU mit Singapur, ein Gutachtenverfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Eine Unterzeichnung von CETA durch die EU kann Österreich jedoch nicht verhindern. Dafür reicht eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat.

Freihandelspolitik im Mittelpunkt

Die aktuelle Freihandelspolitik der Europäischen Union, vor allem der Einfluss durch die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) stand dann im Mittelpunkt von vier Referaten von Wirtschaftsexperten. Fritz Breuss (WIFO) schätzte die ökonomischen Effekte als gering ein. Verena Madner (Wirtschaftsuniversität Wien) gab zu bedenken, dass es im CETA-Vertrag zwar viele Ausnahmen gebe, diese jedoch teilweise beschränkt sind und zu Rechtsunsicherheiten führten. Außerdem werden den Schiedsgerichten nicht unbeträchtliche Spielräume ermöglicht. Bei CETA und TTIP gehe es nicht mehr um bloße Handelsverträge, sondern um sehr umfassende Regulierungsabkommen, erklärte Werner Reza (ÖFSE). Den zu erwartenden geringen Wachstumseffekten und Effizienzgewinnen stehen teilweise negative Verteilungseffekte und ökologische Kosten gegenüber. Eine gemeinsame Handelspolitik mache die EU schlagkräftiger und glaubwürdiger in der Welt, meinte Jörg Wojahn von der EU-Vertretung in Wien. Davon profitieren vor allem exportorientierte Länder wie Österreich und insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen.

Breuss: "Viel Lärm um Nichts" bei CETA - TTIP ist wohl politisch tot

Globalisierung fördert Wachstum und Wohlfahrt, so Universitätsprofessor Fritz Breuss zu Beginn seiner Wortmeldung. Allein zwischen 1990 und 2014 konnte Österreich das BIP pro Kopf um real 880 € pro Jahr steigern. Dass internationaler Handel auch einen wettbewerbsstimulierenden Effekt hat, beweist u.a. die Tatsache, dass Österreich durch die schrittweise Öffnung seiner Volkswirtschaft (Osteuropa 1989, EU-Mitgliedschaft 1995 plus EU-Osterweiterung) bis zuletzt profitiert hat. Sowohl CETA als auch TTIP stehen nun für eine neue Wirtschaftspolitik der EU, die auf einen umfassenden Abbau von Handelshemmnissen abzielt. Ähnliche Verträge habe man bereits mit Südkorea und Japan abgeschlossen bzw. verhandelt, diese interessanterweise ohne öffentliche Debatte.

Er meint, CETA grundsätzlich ein guter Vertrag, der (fast) alle gegenseitigen Wünsche berücksichtigt, aber aufgrund der geringen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Kanada und Österreich seien die ökonomischen Effekte mit der Lupe zu suchen. TTIP wiederum sei ein Abkommen zwischen den zwei größten globalen Handelsregionen und würde somit 54% des gesamten Welthandels umfassen. Da auf EU-Seite höhere Schranken bestehen (sowohl in Bezug auf Zölle als auch bei nicht-tarifären Hemmnissen), werde die Union durch das Abkommen weniger profitieren als die USA. Politisch umstritten seien überdies die institutionellen Rahmenbedingungen (Streitbeilegungsverfahren, regulatorische Kooperation etc.) udn die österreichische Bevölkerung stehe dem Vertrag negativ gegenüber (70% Ablehnung). Möglicherweise sind die neuen Freihandelsabkommen zu ambitioniert angelegt, um ausreichend Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Politik zu erreichen. Wenn man schon so komplexe Verträge haben will, dann hätte man auch das Wettbewerbsrecht inkludieren sollen, regte Breuss an, um einen unfairen Standortwettbewerb und somit Steuergeschenke für multinationale Konzernen vermeiden zu können. Durch die Auswirkungen des Brexit hätten Kanada und die USA jedoch sicher weniger Interesse an einem Abschluss der Verträge, da Grossbritannien nicht mehr betroffen ist.

Handelsabkommen: Unendlich viele rechtliche Interpretationsfragen

Universitätsprofessorin Verena Madner (WU Wien) bezeichnete TTIP und CETA als ehrgeizige und weitreichende Abkommen, die vor allem in den Bereichen Daseinsvorsorge und Investitionsschutz die bisher ambitioniertesten Regelungen, die je von der EU ausverhandelt wurden, enthalten. Öffentliche Dienstleistungen nehmen eine besondere Rolle im europäischen Gesellschaftsmodell ein, ihr Stellenwert ist im EU-Primärrecht ausdrücklich verankert, betonte sie. Allerdings enthalte gerade der CETA-Vertrag eine Reihe von Ausnahmen, wie z.B. für die Abfallwirtschaft oder für öffentlich finanzierte Dienstleistungen in den Sektoren Gesundheit, Soziales und Bildung. Was auf den ersten Blick als Gestaltungsspielraum aussieht, ergebe bei näherer Betrachtung ein etwas differenzierteres Bild. Einerseits sind die Ausnahmen in ihrer Reichweite beschränkt und andererseits bestehen Rechtsunsicherheiten, analysierte Madner. Im Besonderen hob sie hervor, dass Investoren auch im Bereich der Daseinsvorsorge auf Schadenersatz klagen können.

Außerdem zeigen die bisherigen Erfahrungen in der Vergangenheit, dass öffentliche Interessen bei Schiedsgerichtsverfahren oft nicht angemessen berücksichtigt wurden. Offen sei auch, ob die CETA-Klarstellungen nicht umgangen werden können. Auch wenn einige Reformvorschläge auf dem Tisch liegen, wurde die entscheidende Grundsatzfrage nicht beantwortet, weshalb Sonderklagebefugnisse für ausländische Investoren ein notwendiges Rechtsschutzinstrument darstellen. Warum enthalte CETA zwar Verpflichtungen zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards, aber keine Klage- und Sanktionsmechanismen? Weshalb sieht der Vertrag explizit vor dass BürgerInnen und inländische Unternehmen sich vor Gerichten und Behörden nicht auf CETA berufen können? Generell müsse Europa aber klären, welche Werte es bei der Mitgestaltung der Globalisierung einbringen möchte. Dies sei in erster Linie eine politische und weniger eine rechtliche Entscheidung, so Madner.

Raza drängt auf eine nachhaltige Handelspolitik und warnt vor sozialen und ökologischen Kosten

Werner Raza von der Österreichischen Forschungsstiftung für internationale Entwicklung (ÖFSE) meinte, dass es sich bei dieser neuen Generation an Handelsverträgen im Grunde um Regulierungsabkommen handelt. Das heißt, dass es um Angleichung, Harmonisierung, gegenseitige Anerkennung und Vereinfachung von innerstaatlichen Regeln geht. Die Wachstumseffekte seien zwar positiv, aber eher klein bis sehr klein (zwischen 0 und etwas über 1%). Der Hauptgrund sei, dass die Zollsätze im bilateralen Handel ohnehin schon niedrig sind. Auch der Abbau weiterer Handelsbarrieren, z.B. die Angleichung unterschiedlicher Standards in sehr vielen Bereichen - bringe nur geringe Effizienzgewinne. Schließlich ging Raza noch auf die möglichen Anpassungskosten am Arbeitsmarkt ein, wobei manche Sektoren verlieren und andere profitieren werden. Eine aktuelle Studie der Kommission kommt zum Schluss, dass möglicherweise über 1 Million Jobs betroffen sein werden, was in Bezug auf TTIP hochgerechnet zu Kosten von etwa 24 Mrd. € führen wird (bei CETA 2, 4 Mrd. €). Daher müsse man in diesem Bereich gegensteuern. Raza bezweiflelte jedoch, dass der EU-Globalisierungsfonds dafür der geeignete Mechanismus sei. Weniger qualifizierte Arbeitskräfte müssten mit geringen Reallohnverlusten rechnen. Bedauerlich ist, dass die ökologischen Aspekte in der Diskussion zu wenig Berücksichtigung finden, denn eine starke Ausweitung des Handels führe zu einem Anstieg der Emissionen insbesondere im Flug- und im Schiffverkehr, so Raza.

Wojahn: Gemeinsame Handelspolitik sichert Wohlstand und Schlagkraft

Die Republik Österreich ist schon vor etlichen Jahren einem Freihandelsabkommen beigetreten, das "über TTIP und CETA unendlich weit hinausgeht" so Jörg Wojahn, der Vertreter der Europäischen Kommission in Wien, der sich damit auf die EU- Mitgliedschaft bezog. Die Debatten, die im Vorfeld des Beitritts stattgefunden haben, sind den heutigen zu CETA und TTIP nicht unähnlich. Auch damals war oft von Untergangsszenarien die Rede, die sich alle nicht bewahrheitet hätten. Da die WTO-Verhandlungen ins Stocken geraten sind, musste sich die EU andere Wege überlegen, um den Außenhandel, der zu mehr Wohlstand und einer Absicherung der Arbeitsplätze führt, voranzutreiben. Wojahn widersprach Aussagen, wonach CETA und TTIP nur den großen Staaten nütze. Es mache Sinn, wenn alle EU- Mitgliedsstaaten gemeinsam an einem Strang ziehen: Dies zeige etwa auch der Konflikt mit dem Apple-Konzern in Irland. Davon profitieren wieder die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die in einem geschützten Rahmen ihre Produkte in andere Länder exportieren können.

Parlamentarier: Mehr Chancen für KMUs - viele Nachteile für Umwelt, Soziales und Arbeitsmarkt?

Zahlreiche VertreterInnen der Parlamentsfraktionen meldeten sich zu Wort. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder bedauerte, dass im Fall von CETA dem Wunsch nach Einrichtung eines eigenen Handelsgerichtshofs nicht entsprochen wurde. Nachbesserungen wären in Bezug auf den Schutz der Daseinsvorsorge notwendig. Wesentlich wichtiger als diese Abkommen seien eine Regulierung der Finanzmärkte, europäische Wachstumsinitiativen oder ein Investitionspakt mit der USA als Antwort auf den Klimawandel.

ÖVP-Abgeordneter Peter Haubner meinte, gerade Österreich sei als kleines exportorientiertes Land davon abhängig, dass es Freihandelsabkommen gibt, die den Zutritt zu Märkten erleichtern und Rechtssicherheit schaffen. Jeder zweite Arbeitsplatz in Österreich sei direkt oder indirekt vom Export abhängig.

Im Sinne der Generationengerechtigkeit müssten in der Frage des Freihandels, der Wohlstand schafft, nun die nächsten Schritte gesetzt werden, verlangte NEOS-Vertreterin Claudia Gamon. Auch sie sah bessere Chancen für kleinere und mittlere Unternehmen, wenn ein gemeinsamer Rechtsrahmen geschaffen wird, weil dann für alle freie und faire Marktbedingungen herrschen.

Natürlich sei Handel, den es schon seit der Steinzeit gibt, zu begrüßen, so Werner Kogler von den Grünen, die Frage sei nur, unter welchen Bedingungen. In der konkreten Diskussion gehe es vorrangig nicht um den Freihandel, sondern um Investitionen, Regulierungen und um die Standards. Was CETA betrifft, so stünden den ökonomischen Vorteilen in homöopathischen Dosen aber eine Perforierung des Vorsorgeprinzips gegenüber. Er forderte den Kanzler auf, das Abkommen derzeit nicht zu unterzeichnen, um eine vorläufige Anwendung zu stoppen.

FPÖ-Mandatar Johannes Hübner sprach von einer Irreführung der europäischen Öffentlichkeit und befürchtete, dass nach dem Abschluss von TTIP die USA die EU noch viel stärker am Gängelband hat . Dann gebe es legale Mittel, um in interne demokratische Entscheidungen der Union einzugreifen bzw. Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe einzuklagen.

Waltraud Dietrich vom Team Stronach machte sich große Sorgen um den Fortbestand der EU, da die EU-VertreterInnen die Sorgen der Bevölkerung nicht ernst nehmen und mit einer gewissen Arroganz Dinge von oben verordnen wollen. Wenn schon Handelsabkommen, dann müssen die Partner auf Augenhöhe agieren und gleiche Standards gewährleistet werden.

Andere Stimmen zu TTIP und CETA

Anlässlich der Enquete zu den Handelsabkommen fordert Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit von der EU-Kommission eine Rückkehr auf den Boden des EU-Rechts. Mittels Verfahrenstricks versuche man derzeit, das CETA-Ankommen durchzupeitschen. Dieses würde massive Verschlechterungen im Umwelt- und Lebensmittelbereich bringen. Von der österreichischen Bundesregierung verlangt er einen sofortigen gemeinsamen Ministerratsbeschluss gegen das Abkommen in der vorliegenden Form.

Die Kommission hatte sich in ihren Vorschlägen für die Ratsbeschlüsse auf eine Rechtsgrundlage bezogen, die eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit vorsieht. Dabei zeigt ein Rechtsgutachten, dass die CETA-Beschlüsse jedenfalls einstimmig getroffen werden müssten. Gleichzeitig sagt die Vertretung der EU-Kommission in Deutschland in einem Brief, dass ‘Einstimmigkeit im Ministerrat’ erforderlich sei.

Neben demokratiepolitischen Bedenken weist der Greenpeace-Geschäftsführer auf eine Reihe von Problemen im Umwelt- und Lebensmittelbereich hin. So kommt durch die in CETA vorgesehene regulatorische Kooperation das Vorsorgeprinzip unter Druck. Das könnte vor allem im europäischen Gentechnikrecht gravierende Auswirkungen haben. Bei Lebensmittelqualität, Gentechnik, Pestiziden, Hormoneinsatz und Tierschutz sind viele Regulierungen in Kanada weniger streng als in Europa. Durch eine verstärkte Regulierungszusammenarbeit droht daher in Europa eine Absenkung von Standards. Auch eine Weiterentwicklung und Verbesserung würde erschwert. Insbesondere in der Fleischproduktion sind die Produktionskosten in Kanada deutlich geringer als in Europa – nicht zuletzt aufgrund schlechterer Tierschutzbedingungen. Die Ausweitung des Handels in diesem Bereich durch CETA würde zu verstärktem Konkurrenzdruck führen, wodurch höhere Standards und eine regionale und umweltfreundlichere Landwirtschaft unter Druck kämen.

Auch aus Sicht der österreichischen Städte und Gemeinden stellt das Handelsabkommen insbesondere im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen (Daseinsvorsorge) eine reale Gefahr dar.

‘Die öffentliche Daseinsvorsorge ist ein wichtiger und verlässlicher Faktor für das Zusammenleben in Österreichs Städten und Gemeinden und nimmt bei der Bevölkerung einen hohen Stellenwert ein. Wir sehen diese Basis durch CETA gefährdet’, sagte Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes.

Renate Brauner, Präsidentin des VÖWG, warnt daher eindringlich: ‘CETA gefährdet die Errungenschaften der Daseinsvorsorge und nimmt uns den Raum diese weiter zu entwickeln. Solange die Daseinsvorsorge nicht durch eine horizontale Bereichsausnahme aus dem Anwendungsbereich des Freihandelsabkommens ausgenommen ist, müssen wir CETA ablehnen.’

Am Samstag finden übrigens in ganz Österreich Demonstrationen gegen CETA & Co statt. Und von 23. bis 30. Jänner 2017 kann das Volksbegehren gegen die Freinhandelsabkommen unterschrieben werden.


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /